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Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)

Titel: Halbe Leichen (Ein Lisa Becker Krimi) (German Edition)
Autoren: Falko Rademacher
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war er schon immer gewesen, aber erst jetzt wurde ihr bewusst, wie kleinkariert dieser Mann war. Und dass es ihm überhaupt nicht um Ideale ging, sondern nur um sich selbst. Ob sein Verhalten richtig oder auch nur logisch war, das war ihm egal. Die Widersprüche, die von ihm und vielen seiner Gleichgesinnten ausgingen, erschienen ihr auf einmal nicht mehr komisch oder unwesentlich, sondern monströs und traurig.
    „ Du bist ein Arschloch“, sagte Lisa kühl, und Svens Lächeln erstarb. „Ich habe es nicht geschafft, dich aufzuhalten, richtig. Ich war zu schwach und zu feige, das Richtige zu tun. Ich bin ein Mensch, und ich werde für den Rest meines Lebens Schuldgefühle haben, auch wenn der Mann Dreck war und kein Angehöriger oder Freund auf der Welt um ihn trauert. Ich habe einen Fehler gemacht. Aber mir tut es wenigstens leid. Du bist aber stolz darauf, auf deine vier Morde. Du findest das so richtig klasse, und du wünschst dir, dass andere deinem Beispiel folgen, nur damit du dir als neuer Messias der linken Guerilla vorkommen kannst. Als Heilsbringer einer neuen Weltordnung, in der die Bösen bestraft werden. Aber kannst du mir mal erklären, was du damit wirklich erreichen willst? Was ist denn dein Ziel? Eine Welt, in der niemand mehr etwas Charakterloses tut, aus Angst, sonst dafür getötet zu werden?“
    Sven fingerte an seiner Tasse herum und sah sie nicht an. „Wäre doch nicht das Schlechteste, oder?“
    „ Scheiße wäre das!“ Lisas Verachtung war beinahe physisch greifbar. „Weil das Töten selber charakterlos ist! Weißt du, es gab schon immer diese Logikfehler in deinem Denken, dieses weltanschaulich verbrämte Rumeiern. Wie du zum Beispiel mit der RAF sympathisierst, die mehrere Morde begangen hat, und gleichzeitig gegen die Amerikaner stänkerst, weil sie die Todesstrafe haben. Aber weißt du was? Noch der gewissenloseste texanische Gouverneur, der extra Todesurteile unterzeichnet, um wiedergewählt zu werden, hat mehr Anstand im Leib als einer, der sagt: ‚Menschen töten ist falsch, es sei denn, es trifft die Richtigen’. Mir sind Leute immer noch lieber, die wirklich das leben, was sie sagen, und sich nicht als Moralapostel aufspielen und zeitgleich kaltlächelnd völkermordende Unrechtsregime nur deshalb verharmlosen, weil der Diktator zufällig Kommunist ist – und damit ja wohl im Herzen ein guter Mensch. So ein guter Mensch wie du. Hey hey, schaut mich an, ich klage die Bösewichte an, ich reiße ihnen die Maske vom Gesicht. Hey hey, schaut mal, ich arbeite ehrenamtlich in Suppenküchen und helfe Kranken. Hey hey, schaut mal, ich bringe Leute um, die das meiner Ansicht nach verdient haben. Jetzt aber mal Applaus!“
    Lisa klatschte frenetisch in die Hände. Sie hatte jede Angst verloren. Es war lächerlich, sich vor diesem erbärmlichen Menschen zu fürchten. Ohne sein Schwert, das nun blutverkrustet außerhalb seiner Reichweite war, stellte er keine Bedrohung dar. Aber auch mit seiner Waffe hätte Lisa ihn nur ausgelacht. Jetzt saß er da, die leere Kaffeetasse in der Hand, und wippte mit den Füßen auf und ab, während er zwanghaft auf den ausgeschalteten Fernseher starrte. Lisa hörte auf zu applaudieren und trank ihren Kaffee aus.
    „ Du bist doch nur ’ne Polizistin“, zischte Sven. „Eine rechte Spießerin. Hab ich irgendwie nie wahrhaben wollen, weil ich so auf dich abgefahren bin, mit deiner fröhlichen Art und deinen dicken Titten.“
    Lisa wurde beinahe schlecht. Er sank tiefer als Walscheiße, und das in Rekordtempo. Sie hatte keine Lust mehr, etwas zu erwidern.
    „ Soll man denn alles durchgehen lassen?“ Sven redete mehr mit sich selbst als mit ihr. „Die reichen Bonzen, die sich einen Spaß daraus machen, hungernde Kinder in der elften Welt für sich kaputt schuften zu lassen, nur um noch eine Million mehr pro Jahr auf Luxemburger Konten verschwinden zu lassen, auf die dann nicht einmal Steuern gezahlt werden? Die Hetzer in den Medien, die so tun, als wollten sie aufklären, in Wirklichkeit aber nur ihre Auflagen und Einschaltquoten im Sinn haben und dabei Wahrheit und Menschenwürde mit Füßen treten? Die rechten Politikerschweine, die Rassismus wieder hoffähig machen, damit sie gewählt werden, um ihre überzogenen Diäten und Renten abzukassieren? Oder all diese kleinen, miesen Schweine, die ohne Gedanken an ihre Mitmenschen durchs Leben gehen und nie jemandem helfen außer sich selbst? Bist du mit solchen Leuten einverstanden?“
    Jetzt sah er sie
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