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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola
Autoren: Die Farbe von Kristall
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Kriminalschutzmann auf sein erstes Büro gewesen war,
eine zugige Kammer im ehemaligen Präsidium Clesernhof, das längst der
Spitzhacke zum Opfer gefallen war. Er hatte seinen Beruf geliebt, und schon
drei Stunden nach seiner Pensionierung ließ nichts mehr erahnen, daß er fast
achtzehn Jahre in diesem Raum gearbeitet hatte. Er schloß die Tür und ging
durch den verwaisten Flur zur Treppe. Es fiel ihm schwer zu akzeptieren, daß er
nicht mehr gebraucht wurde. Er dachte an Helena, und sein Gesicht hellte sich auf. Sie brauchte ihn.
    »Entschuldigen
Sie, können Sie mir sagen, wann Herr Polizeirat Franck zurückkehrt?«
    Heiner
fuhr zusammen. »Bitte ...?«
    Eine
junge Frau erhob sich von der Holzbank, die in einer Nische neben der Treppe
stand. »Sehe ich so schlimm aus, daß Sie sich vor mir erschrecken?« Sie hatte
eine melodische Stimme, ein nicht übermäßig schönes, aber sympathisches Gesicht
und trug ein Tuchkleid im Stil der Reformbewegung. Ihr Haar war entgegen der
herrschenden Mode zu einem schlichten Knoten geschlungen. Mantel und Hut hatte
sie neben sich auf die Bank gelegt.
    »Verzeihen
Sie, ich war ein wenig in Gedanken«, sagte Heiner.
    »Dann
bin ich ja beruhigt, Herr...?«
    »Wachtmeister
Braun.«
    »Laura
Rothe«, stellte sie sich vor. »Ich warte auf Herrn Franck. Er hatte mich um
halb drei in sein Büro bestellt.«
    »Sind
Sie die Polizeiassistentin aus Berlin?«
    Sie
nickte.
    »Es tut
mir leid, aber Polizeirat Franck ist mit allen verfügbaren Kriminalbeamten zu
einem Mordfall unterwegs.«
    »Ich vermute,
in dem Haus neben der Katharinenkirche? Jedenfalls läßt der Menschenauflauf,
den ich auf dem Weg hierher sah, diesen Schluß zu.« Sie sah ihn neugierig an.
»Und warum sind Sie noch hier?«
    Die
Frage war ein wenig direkt, aber Heiner nahm es ihr
    nicht
übel. Er holte seine Taschenuhr hervor. »Weil ich seit drei Stunden und sieben
Minuten pensioniert bin.«
    »So alt
sehen Sie gar nicht aus!« Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund und
murmelte eine Entschuldigung.
    Heiner Braun
lachte. »Wenn ich Ihnen als altgedienter Beamter dieses Hauses einen Rat geben
darf? Polizeirat Franck schätzt vorlaute Mitarbeiter nicht besonders. Möchten
Sie einen Kaffee?«
    »Ich
dachte, Sie sind pensioniert?«
    »Einen
Kaffee kochen werde ich schon noch können.«
    Zehn
Minuten später saßen sie in Richard Biddlings Büro vor zwei dampfenden Tassen.
»Ich hatte mir meinen Antrittsbesuch anders vorgestellt«, sagte Laura.
»Abgesehen davon wüßte ich gern, welche Aufgaben mich erwarten.«
    »Soweit
ich gehört habe, sollen Sie in der Fürsorge eingesetzt und
Kriminaloberwachtmeister Heynel zugeteilt werden, Fräulein Rothe.«
    »Ich
hoffe doch sehr, über die Fürsorge hinaus auch die anderen Tätigkeitsfelder der
Kriminalpolizei kennenzulernen. Erzählen Sie mir von ihm.«
    »Bitte?«
    »Wachtmeister
Heynel - was ist er für ein Mensch?«
    Heiner
lächelte. »Warum interessiert Sie das?«
    »Ich
weiß gern, mit wem ich es zu tun habe.«
    »Er
neigt zu... Nun ja, wie soll ich sagen? Er hat zuweilen eine etwas einnehmende
Art.«
    »Sie
mögen ihn nicht«, stellte Laura fest.
    »Ich
kenne ihn kaum. Darf ich fragen, warum Sie ausgerechnet diesen ungewöhnlichen
Beruf gewählt haben?«
    »Die
Aussicht, mein Leben in den philiströsen Verhältnissen von Kontor und Küche
zuzubringen, gefiel mir nicht.« Als sie Heiners verständnislosen Blick sah,
fügte sie hinzu: »Ich habe drei Jahre als Korrespondentin und Buchhalterin in
der Firma meines Vaters gearbeitet.«
    »Ihr
Herr Vater war sicher nicht angetan von Ihrem Berufswechsel.«
    »Mein
Vater glaubt, ich bin in Berlin.« Sie sagte es in einem Ton, der jede weitere
Frage verbat. Sie trank ihren Kaffee aus. Heiner ging hinaus, um die Tassen zu
spülen. Als er zurückkam, saß sie an Biddlings Schreibtisch und blätterte in
der Akte Pokorny & Wittekind.
    »Kommissar
Biddling wird nicht erfreut sein, wenn Sie ungefragt in seinen Akten lesen!«
    Sie
stand sofort auf. »Entschuldigen Sie. Ich habe nicht nachgedacht.«
    Heiner
wickelte die Tassen wieder in Zeitungspapier ein.
    »Die
hat eine Frau ausgesucht«, stellte Laura fest.
    »Bitte?«
    »Ihre
Kaffeetassen! Die haben Sie von einer Frau bekommen, oder?«
    »Mhm.
Es dürfte wenig Sinn haben, weiter auf Polizeirat Franck zu warten. Am besten
hinterlegen Sie auf der Wache Ihre Adresse und bitten um Nachricht, wann er Sie
empfangen kann.«
    »Leider
habe ich noch keine Adresse. Und außerdem nicht das
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