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Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Häschen in der Grube: Roman (German Edition)

Titel: Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
Autoren: Maria Sveland
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alles war besser als dieser undurchdringliche Nebel. Nora und Sussie merkten nichts, sie waren weit vor ihr, inzwischen waren es sicher fünfzig Meter. Sie versuchte, schneller zu gehen, damit sie die beiden nicht aus den Augen verlor. Ohne sie wusste sie nicht, wo sie war.
    Ein durchdringendes Zischen, das nicht in den Wald gehörte, erschreckte sie, sie drehte sich um. Das Geräusch kam aus einer großen Tanne mit dichten Zweigen, die um den Stamm herum eine Art Hütte bildeten. Jetzt war es wieder zu hören, dieses Mal etwas lauter. Plötzlich spürte sie, wie ihr Körper zum Leben erwachte, Adrenalin wurde ausgeschüttet und schärfte ihre Sinne.
    Sie sah, wie die Zweige sich bewegten und eine schwarze Gestalt in einem schwarzen Ledermantel aus dem Innern der Tanne hervortrat. Das Bild war so unwirklich, dass es alle bisherigen Trugbilder übertraf.
    Die Gestalt kam näher, immer noch zischend, das Gesicht war von einer Kapuze bedeckt, und doch zischte es. Es war Dante, und doch nicht. Eine Schattenkopie.
    Sie hatte sich ihm zugewandt, mit aufgesperrten Augen. Nichts hing mehr schlaff und unkontrolliert herunter. Sie war gespannt wie ein Bogen.
    Er kam näher, und als er ganz dicht bei ihr war, zog er die Kapuze herunter, und sein gelbbraunes, freudloses Grinsen wurde sichtbar. Das Zischen kam immer noch aus seinem Mund, die Pupillen waren klein wie Fliegenschiss.
    Dieses Mal war es ganz eindeutig keiner seiner spaßhaften Auftritte, er war verwandelt. Sie spürte es am Griff, mit dem er sie am Oberarm packte. Seine Finger gruben sich so tief ein, dass sie eine Perlenkette von Blutergüssen hinterlassen würden.
    Sein zischender Gesang hatte etwas Beruhigendes, es machte die Situation klar. Dass dies etwas anderes war. Eine andere Welt mit anderen Figuren. Er war er und doch nicht er, Dante. Hier war hier und doch woanders. Und doch war sie hier, und sie war Julia.
    Er zog sie zu der Tanne mit den dichten Zweigen. Drinnen herrschte Dunkelheit, nur wenig Licht drang durch die dichten Nadeln. Er legte sie auf den Rücken und zog ihre grau melierten Jogginghosen herunter. Der Boden war kalt, sie registrierte es, ohne die Kälte zu fühlen, und als die grünen, harten Nadeln, die den Boden bedeckten, in ihre nackte Haut eindrangen, wurde sie federleicht und hob ab, schwebte bis an den Wipfel der Tanne. Die Aussicht war sagenhaft. Sagenhaft. Der Wald war viel größer, als sie gedacht hatte. Er breitete sich wie ein grünschwarzes Meer zwischen den Häusern aus, die eine zivilisierte Mauer aus Stein bildeten.
    Sie waren offenbar einen weiten Weg gegangen, das Backstein-L lag weit im Westen. Wie lange waren sie eigentlich gewandert? Eine halbe Stunde? Sie hatte keinerlei Überblick mehr über die Zeit. Sie kam und ging, wie sie wollte, ohne dass sie richtig mitbekam, ob es Morgen oder Abend war. Das hatte wahrscheinlich damit zu tun, dass sie nachts nicht schlief. Es war schwierig, den Überblick zu behalten, wenn die Tage in einem dicken Nebel verschwanden. Wenn sie tatsächlich eine halbe Stunde gegangen waren, mussten sie sofort wieder zurückgehen, die Mittagspause wäre bald vorüber und die anderen würden sich fragen, wo sie waren. Sie hatte überhaupt keine Lust auf ein Kreuzverhör. Sie hasste das Plenum am Dienstagabend. Alle mussten teilnehmen und sich einbringen. Wenn man nichts sagte und nur zuhörte, fiel das sofort auf.
    Plötzlich wurde der Griff um ihre Arme härter, als Dante sie aus der Tannenkoje zog. Sie stolperte und fiel der Länge nach auf den Boden. Die Hose war immer noch an den Knöcheln, sie spürte die kalte Luft am nackten Hintern. Ungeschickt versuchte sie, die Hose hochzuziehen, aber als sie es halb geschafft hatte, packte Dante sie und zog sie hoch, er knuffte sie in den Rücken, sie fiel fast noch einmal um. Aber irgendwie schaffte sie es, das Gleichgewicht zu halten, sie stolperte ein paar Schritte nach vorne, dann blieb sie stehen.
    Dante war direkt vor ihr, er fasste sie am Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu schauen.
    »Nichts ist umsonst. Weißt du noch, dass ich das gesagt habe? Jetzt warst du mit Bezahlen dran. Kapierst du?«
    Als sie nicht antwortete, schüttelte er ihren Kopf.
    »Kapierst du?«
    Sie versuchte zu nicken, aber die Hand, die sie unter dem Kinn festhielt, war so stark, dass sie den Kopf nicht bewegen konnte.
    »Ja.«
    Er bewegte ihren Kopf zu einem Nicken.
    »Gut, Julia. Du hast kapiert. Jetzt gehen wir zur Hütte.«
    Er ging geradewegs in den Wald hinein,
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