Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest
Autoren: Katri Dietz
Vom Netzwerk:
vier Jungs auch einfach nur zum Besaufen und nannten das dann Besprechung. So wie heute. Prost!
    Ich sah Jonas an, wie er so in der Badezimmertür lehnte und mich mit Maja auf dem Arm anlächelte. Achtunddreißig sollte der sein? Im Leben nicht! Mit seinen zerwuschelten schwarzen Haaren und den strahlend blauen Augen, dem frechen Blick und dem süßen Lächeln hätte ich ihn immer noch für achtundzwanzig gehalten. Während er Maja auf dem Arm hielt, die sich nun wie ein Python um seinen Hals wand, gab er mir einen Kuss, murmelte »Hab dich lieb« und drückte mir das tonnenschwere Kind wieder auf den Arm. Sie zappelte, schrie – und weg war er.
    »Halt still!«, schimpfte ich. Entsprechend schlug Maja um sich.
    Ich versuchte gleichzeitig, sie zu beruhigen, mich anzuziehen und sie daran zu hindern, ihm hinterherzulaufen. Am liebsten hätte ich sie irgendwo festgebunden.
    Sogar in ihren ruhigsten Momenten hatte Maja nur Unsinn im Kopf. Ihre Lieblingsworte waren von Anfang an »nein« und »ich will nicht«, was das tägliche Miteinander erheblich erschwerte. Ach, wie sehnte ich mich nach der Zeit zurück, in der sie noch nicht sprechen konnte, hilflos unter ihrem Spielbogen lag und mich anstrahlte.
    Warum bloß hatte ich mir damals gewünscht, sie könnte reden und laufen? Jetzt verwandte sie beides gegen mich, indem sie mich anschrie und vor mir wegrannte. Dabei musste ich um neun bei der Arbeit in Hamburg sein und gutgelaunte, erfrischende Artikel über Erziehung schreiben. Durfte man das eigentlich, wenn man sein eigenes Kind manchmal am liebsten erwürgt hätte und sich selbst oft genug wie ein pädagogischer Vollidiot verhielt? Über diese Frage sollte ich vielleicht mal einen Artikel schreiben.
    Zehn nach acht kam ich verschwitzt, ungeschminkt und mit nassen Haaren beim Kindergarten  Matschepampe  an. Im Schlepptau ein unglaublich laut kreischendes Mädchen, das die Füße in den Boden stemmte wie eine bockige Ziege.
    Unsere Diskussion darüber, ob sie in den Kindergarten ging oder nicht, dauerte nun schon so lange wie der Weg von unserer Haustür bis zum Kindergarten, nämlich gute fünfzehn Minuten, die sich anfühlten wie fünfzehn Stunden. Maja wollte einfach nicht einsehen, dass das Leben nicht nur aus Zuckerwatte bestand.
    »Iss will aber Fernsehen und Süßisskeiten,  SOFORT !«, schrie sie jetzt und zog damit die Blicke aller anderen  Matschepampe -Mütter auf dem Parkplatz auf sich. Blicke, die von ihr zu mir wanderten und mir nonverbal mitteilten, was ich für eine grauenhaft schlechte Mutter war. Kopfschüttelnde Blicke, weil ich mein Kind nicht im Griff hatte. Bedauernde Blicke, die mir sagten, dass ihre Kinder sich  niemals  so verhalten würden. Blicke, die ich kannte, die mich nervten und die ich zu ignorieren versuchte.
    Okay, es gab Tage, an denen Maja sich wider Erwarten gut benahm und brav an meiner Hand ging. Das waren meistens die Tage, an denen in der Kita gekocht wurde. Sie war ja so ein Vielfraß, meine süße, entzückende Tochter. Und ich konnte ihr noch nicht mal einen Vorwurf machen. Hätte ich die Wahl, würde ich ja auch am liebsten den ganzen Tag im Schlafanzug rumlaufen, Joghurtgums futtern und G reys Anatomy  auf  DVD  gucken.
    Aber die Zeit drängte, ich musste noch einen Artikel zu Ende schreiben, und wir waren schon viel zu spät dran. Es war genau Viertel vor neun, und um neun Uhr musste ich in Hamburg sein. Wenn ich heute gut war, könnte ich um zehn vor zehn da sein. Die Zeit und meine Chefin saßen mir im Nacken. Ich schwitzte.
    So kinderfreundlich wie möglich zerrte ich Maja über den Parkplatz und verbot mir den Gedanken, sie wie Hänsel und Gretel im Wald auszusetzen und nie wieder abzuholen. Endlich erreichten wir die rutschigen Linoleumflure des Kindergartens und Majas Gruppenbereich. Mir lief der Schweiß in den Nacken.
    »Ist es Ihnen nicht möglich, Ihr Kind pünktlich zu bringen?«, wurde ich zur Begrüßung angefahren. Super, auch das noch! Frau Fischer persönlich. Und sie hatte ihre Montagslaune. Die Leiterin der Kindertagesstätte und Erzieherin von Majas Gruppe, den  Patschehändchen,  hatte mich seit dem ersten Tag auf dem Kieker. Okay, ich hätte vielleicht beim Elternabend nicht laut rufen sollen: »Hey, Leute, Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden, oder?« Aber das hätte sie ja auch nicht so wahnsinnig ernst nehmen müssen.
    Die anderen Gruppen hießen die  Sabberschnuten  und die  Kleckerliesen,  dazu gehörte noch die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher