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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest
Autoren: Katri Dietz
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Geburt an absolut unabhängig zu sein, sie war wild und schien unzähmbar widerspenstig. Nach außen sagte ich Sachen wie: »Ich finde es toll, dass sie so temperamentvoll und durchsetzungsfähig ist!«, aber innerlich kotzte ich jeden Morgen, wenn sie mir mal wieder kreischend die Haarbürste aus den Händen riss und sie mir an den Kopf warf und, wie heute, meine Hygieneartikel missbrauchte.
    Gleichzeitig liebte ich sie unbeschreiblich. Mit all ihren Eigenheiten. Sie war mein Universum, meine Sonne, alles in meinem Leben drehte sich um sie. Es war nur schwierig, jemandem diese Diskrepanz zu erklären, der uns nicht kannte. Deshalb flüchtete ich mich in Plattitüden wie »Na ja, wir sind eben beide sehr willensstark.«
    Und nein, ich meinte auch nicht:  »Beim nächsten Kind wird alles anders«,  mir war schon klar, dass ich in drei bis vier Jahren vielleicht den nächsten Trotzkopf würde bändigen müssen und dazu noch eine neunjährige vorpubertierende Zicke – und trotzdem waren die positiven Gefühle, die damit verbunden waren, so stark, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte als genau dieses Szenario. Und dazu das lebenslange Recht, mich darüber zu beschweren.
    Während Maja ihre Anfälle hatte, dachte ich oft daran, wie süß sie als Baby gewesen war. So ruhig! So still! Sie hatte gelächelt und sich an mich gekuschelt! Okay, das war meistens nachts von drei bis fünf gewesen, aber das war mir jetzt egal. Ich wusste, dass sie mich im Grunde ihres Herzens nicht ablehnte, aber manchmal war es unglaublich schwer, mit ihrer abweisenden Art umzugehen. Ich sagte mir nur, dass sie sich meiner Liebe anscheinend so sicher war, dass sie sich traute, mich dermaßen anzugreifen. Und ich versuchte, während sie trotzte, mich anbrüllte oder vor mir weglief, tief durchzuatmen und bis zehn zu zählen. Oder bis hundert. Oder bis eine Trillion. Und dachte an ein Baby, das nichts als meine ganze Liebe wollte.
    Morgen Abend wollte ich es wieder versuchen, auch wenn Jonas sich zierte. Ich verstand auch nicht ganz, warum er in der letzten Zeit zu müde zum Sex war. Das war noch nie so gewesen. Wir harmonierten vor allem körperlich; das war vielleicht nicht unsere ganze Basis, aber es passte einfach toll. Alles lief wie von selbst, ohne dabei langweilig zu werden, zumindest war das meine Empfindung.
    Dass er genau vor drei Monaten zum Sexmuffel mutiert war, also zu der Zeit, in der Jessica bei ihm arbeitete, verdrängte ich schnell. Was das heißen mochte, wollte ich nun wirklich nicht genauer analysieren.
    Ich seufzte einmal tief und konzentrierte mich auf den Hamburger Stadtverkehr. Trist und trüb kam der Oktober daher, der Himmel war immer noch grau und bewölkt, nirgends blitzte es blau durch, es sah nach einem ergiebigen Regen aus.
    Wir lebten also unser Leben, so wie es war, und warum sollte ich mir da Gedanken über eine Praktikantin in seinem Büro machen? Also ehrlich.
    Jessica war lediglich seine Kollegin, ich war seine Frau, und als diese war ich mir hundertprozentig sicher, dass zwischen den beiden nichts lief. Wirklich! Also zumindest neunzigprozentig. Ich hatte Jonas voll und ganz mein Vertrauen geschenkt, das hatte ich ihm zu unserer Hochzeit versprochen. Die war allerdings über fünf Jahre her, er war immer seltener zu Hause, Jessica und alle anderen sahen ihn öfter als ich, und der Alltag hatte sich bei uns eingeschlichen.
    Dass ich eifersüchtig auf sie war, weil sie immer so gut gelaunt ans Telefon ging, wenn ich ihn im Büro anrief, würde ich ihm sicher nicht verraten. Und dass ich vor Kurzem seinen Ehering in seiner Nachttischschublade gefunden hatte, hatte sicher nichts zu bedeuten. Ringe werden sowieso völlig überbewertet! Er hatte ihn eh nicht besonders oft getragen, und nie hatte es mir etwas ausgemacht.
    Na ja, obwohl, eigentlich schon. Ich hatte es Jonas auch so oft wie möglich gesagt: »Warum trägst du deinen Ring nicht? Trag doch mal deinen Ring! Du hast schon wieder deinen Ehering nicht an!«, bis er ihn seufzend angesteckt hatte. Ich dagegen trug meinen Ehering mit seinem Namen und unserem Hochzeitsdatum – 5.5.2005 – voller Stolz und legte ihn niemals ab. Er war mein Zeichen für unsere stabile Ehe, ein Symbol für die Außenwelt, seht her: Ich bin verheiratet!
    Jonas sah das wohl nicht so eng, und statt ihm eine weitere Szene zu machen, nahm ich den Ring aus der Schublade und bewahrte ihn in meinem Portemonnaie auf. Ich wartete gespannt, wann er mich fragen würde, ob ich
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