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Haertetest

Haertetest

Titel: Haertetest
Autoren: Katri Dietz
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ich den Weg über die Treppen bis in den dritten Stock und dann in sein Büro niemals im Leben finden würde.
    Bevor ich mir weiter darüber Gedanken machen konnte, quetschte sich ein Mensch mit einem riesigen Pferdekopf aus Pappmaché an uns vorbei, sagte »N’Abend!« und war auch schon wieder verschwunden. Es war kurz vor sieben. In einer Stunde würde das Stück beginnen. Wir warteten und warteten.
    Ich hüpfte fast auf der Stelle vor Aufregung. Stand Jessica noch am Eingang? Oder kannte sie einen Geheimgang zu Jonas’ Büro? Ich würde ihn jetzt anrufen und mit ihm sprechen. Mein Handy zeigte keinen Empfang. Das war doch zum Verrücktwerden!
    Einer der Bademäntel drückte noch einmal auf den Aufzugknopf. Es tat sich nichts. Noch mehr Schauspieler kamen an uns vorbei. Eine Prinzessin in einem rosa Rüschenkleid, die aussah wie eine Comicfigur, wies uns mit tiefer Stimme darauf hin, dass der Fahrstuhl kaputt sei.
    Ich war irritiert. Die Stimme war so tief, dass sie auch einem Mann gehören könnte. Man wusste hier schon nicht mehr, ob man mit Männlein oder Weiblein sprach. Aber irgendwie war es hier auch allen egal. Die wundersame Welt des Theaters war nicht die Realität.
    Und der Fahrstuhl war kaputt? Das hieß für mich? Zu Fuß in den dritten Stock. Und dann wusste ich nicht weiter. Ich müsste dort jemanden nach dem Weg fragen. Das Theater war voller Flure, Treppen und Türen, und nirgends gab es Fenster. Manche Türen waren kleiner als andere, auf manchen standen fremdländische Worte, hier schien nichts einer bestimmten Ordnung zu folgen. Ich kam mir immer vor wie Alice im Wunderland, wenn ich hier war.
    Ich kannte auch nur den Weg vom Eingang zum Fahrstuhl und vom Fahrstuhl im dritten Stock zu Jonas’ Büro. Selbst die Klos fand ich nur, wenn er mich an der Hand dort hinführte. Als ich neulich mit Lilly hier war, hatte ich die wundersame Atmosphäre gar nicht wahrgenommen. Aber jetzt, kurz vor einer Aufführung, bebte das ganze Haus.
    Es schien richtig zu summen, wie ein ganzer Bienenstock. Ach Quatsch, was hier summte, war mein Handy in der Hosentasche. Ich sah aufs Display: Es war Jonas, der mich von seinem Büro aus anrief. Es ging also doch!
    »Schatz?«, rief ich. »Ich bin gleich da! Bleib, wo du bist! Ich muss mit dir reden!«
    Hinten im Flur sah ich Jessica, die schnellen Schrittes auf mich und den Fahrstuhl zukam. Ich ließ Jonas keine Gelegenheit zu antworten und rannte einfach drauflos. Das Treppenhaus war ausgeschildert, also lief ich die Treppe hinauf. Außer Atem kam ich im dritten Stock an – hier war die technische Leitung –, ich stemmte die schwere Eisentür auf und hörte unter mir trappelnde Schritte.
    »Sophie!«, rief Jessica. Ich antwortete nicht und lief weiter.
    Hier war eine Küche, die kam mir bekannt vor, ich atmete keuchend, aber ich wollte als Erste bei Jonas sein.
    Auf wundersame Weise hatte ich sein Büro ganz ohne fremde Hilfe gefunden. Schwer atmend klammerte ich mich an den Türrahmen. Jonas hielt den Telefonhörer an sein Ohr und wartete immer noch darauf, dass ich ins Handy sprach. Dann erst sah er mich.
    »Oh!«, rief er erstaunt.
    »Du kannst«, ich schnappte nach Luft, »jetzt auflegen!«
    Dann ließ ich mich auf einen Stuhl fallen.
    Hinter mir trappelte jemand den Flur entlang. Ich hörte noch jemand anderen keuchen. Jessica stürmte ins Büro und blieb stehen.
    Da waren wir also. Jessica, Jonas und ich. In seinem Büro.
    Ich sah aus dem Fenster. Draußen glitzerten die Lichter an der Alster. Der Wind peitschte Regen gegen das Fenster.
    »Du ahnst nicht, was sie getan hat! Sie hat mich total verarscht!«, rief Jessica aufgebracht. »Ich hab versucht, dich zu erreichen, aber du bist nicht rangegangen!«
    »Ja, warum wohl?«, giftete er sie an. So kannte ich ihn gar nicht. Er konnte mal meckern und wütend sein, aber das Giften oblag eigentlich meiner Verantwortung.
    »Jessica, ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was du von mir willst!«, fuhr er sie an. Ich wusste es ziemlich genau, äußerte mich aber nicht. Um unsere Zusammengehörigkeit zu demonstrieren, stellte ich mich neben ihn. Er war auch aus seinem Bürostuhl aufgestanden, sodass er jetzt zwischen Jessica und mir stand.
    Jonas holte tief Luft.
    »Ich möchte hier mal was klarstellen. Jessica, du bist meine Kollegin! Ich hab dich wirklich gern, und du hast das Zeug, eine wirklich gute Konstrukteurin zu werden – aber  mehr  ist da nicht!«
    Jessica sank in sich zusammen und auf den nächsten
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