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Hände weg von Zeitmaschinen

Hände weg von Zeitmaschinen

Titel: Hände weg von Zeitmaschinen
Autoren: Alfred Bester
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gleiche Problem, nur mit umgekehrten Vorzeichen. Könnte ein Mensch des Mittelalters im zwanzigsten Jahrhundert überleben? Würde er den Stadtverkehr überstehen? Könnte er Autos fahren, die Sprache sprechen? In der Sprache der neuen Zeit denken? Sich dem Tempo, den Ideen und Voraussetzungen anpassen, die Sie für gegeben halten? Nie. Könnte sich jemand aus dem fünfundzwanzigsten Jahrhundert dem dreißigsten anpassen? Niemals.«
    »Aber wenn Vergangenheit und Zukunft so unbequem sind«, sagte Addyer wütend, »warum reisen diese Menschen dann durch die Zeit?«
    »Sie reisen nicht«, sagte Jelling. »Sie fliehen.«
    »Wovor?«
    »Vor ihrer eigenen Zeit.«
    »Warum?«
    »Sie mögen sie nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Mögen Sie Ihre Zeit? Gibt es irgendeinen Neurotiker, der sich in ihr wohl fühlt?«
    »Wo gehen sie hin?«
    »Überallhin, nur nicht dorthin, wo sie eigentlich hingehören. Sie suchen immerfort nach dem Goldenen Zeitalter. Vagabunden! Narren! Sind niemals zufrieden, immer auf der Suche, lassen sich durch die Zeiten treiben. Pfui! Jeder zweite Penner, den Sie sehen, ist wahrscheinlich ein Zeitreisender, der im falschen Jahrhundert gestrandet ist.«
    »Und die Leute, die hierherkommen… glauben sie, daß dies das Goldene Zeitalter ist?«
    »Jawohl.«
    »Die sind ja verrückt!« protestierte Addyer. »Haben sie die Ruinen gesehen? Die Strahlung? Den Krieg? Das Elend? Die Hysterie?«
    »Natürlich. Das zieht sie ja gerade an. Fragen Sie mich nicht nach dem Grund. Fassen Sie es so auf: Sie lieben doch die amerikanische Kolonialzeit, nicht wahr?«
    »Unter anderem.«
    »Nun, wenn Sie George Washington die Gründe nennen würden, weshalb Sie seine Zeitepoche mögen, wären dies wahrscheinlich alles Dinge, die er haßt.«
    »Aber dieser Vergleich ist unfair! Dies hier ist die allerschlimmste Epoche in der gesamten Geschichte.«
    Jelling winkte ab. »Das glauben Sie. Jeder sagt das, in jeder Generation. Aber ich gebe Ihnen mein Wort, egal, wo und wie Sie leben, es gibt irgendwo und irgendwann immer jemanden, der glaubt, Sie lebten im Goldenen Zeitalter.«
    »Ich will verdammt sein«, sagte Addyer.
    Jelling sah ihn einen langen Augenblick ruhig an. »Sie sind es«, sagte er mitfühlend. »Ich habe schlechte Nachrichten für Sie, Addyer. Wir können Sie nicht hierlassen. Sie würden reden und Ärger machen – und unser Geheimnis muß gewahrt bleiben. Wir müssen Sie irgendwo hinschicken – ohne Rückfahrkarte.«
    »Ich kann überall reden.«
    »Aber in einer anderen Zeit wird Ihnen niemand Beachtung schenken. Sie würden nur dummes Zeug reden, als Exzentriker oder sogar Verrückter betrachtet werden. Wir haben nichts zu befürchten.«
    »Und wenn ich einfach zurückkomme?«
    »Das wird Ihnen nur mit einem Visum möglich sein, das ich Ihnen aber nicht eintätowieren werde. Wenn Sie das tröstet: Sie sind keineswegs der erste, den wir deportieren müssen. Ich erinnere mich da an einen Japaner…«
    »Dann wollen Sie mich also für immer in eine andere Zeit schicken?«
    »So leid es mir tut: ja.«
    »In die Zukunft oder in die Vergangenheit?«
    »Sie haben die Wahl. Denken Sie darüber nach, während Sie sich ausziehen.«
    »Das braucht Ihnen nicht leid zu tun«, meinte Addyer. »Das wird doch ein wunderbares Abenteuer. Davon habe ich schon immer geträumt.«
    »Nun gut, es wird wunderbar werden.«
    »Ich könnte mich aber auch weigern«, sagte Addyer nervös. Jelling schüttelte den Kopf. »Wir würden Sie dann betäuben und trotzdem fortschicken. Wenn Sie es unbedingt so haben wollen…«
    »Nein, es ist besser, wenn ich meine Wahl selbst treffe.«
    »Natürlich. Das ist die vernünftigste Einstellung, Addyer.«
    »Eine Wahl, die ich gern treffe. Jeder sagt, daß ich hundert Jahre zu früh geboren wurde.«
    »Das sagen normalerweise alle… außer wenn es heißt, Sie seien hundert Jahre zu spät auf die Welt gekommen.«
    »Manche sagen auch das.«
    »Nun, denken Sie gut darüber nach. Es ist eine irreparable Entscheidung. Was ziehen Sie vor, die phonetische Zukunft oder die poetische Vergangenheit?«
    Addyer begann, sich sehr langsam auszuziehen, so langsam, wie er sich jede Nacht auszog, wenn er sich auf seine üblichen Traumphantasien vorbereitete. Aber nun waren seine Träume wahr geworden, und der Moment der Entscheidung erschreckte ihn. Etwas traurig und auf sehr wackligen Füßen trat er auf die Kupferplatte in der Mitte des Zimmers. Als Jelling nochmals fragte, murmelte er seine Entscheidung. Dann
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