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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
Autoren: Walter Kempowski
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Magdeburg gekommen, übrigens die heutigen Machthaber, drüben, die mögen Magdeburg auch nicht, das paßt ihnen nicht in den Kram.
    Jurist, 1903
    Hitler und Mussolini waren ganz verschieden. Mussolini war ein normaler Mensch, der konnte seine Mütze abnehmen, hatte einen schönen Kopf, das konnte Hitler nicht, der hatte ja einen häßlichen Schädel.
    Ich kannte Hitler schon von 1924 und mochte ihn damals schon nicht. Ich war Rechtsanwalt und hatte mit seinem Prozeß zu tun. Mindestens 12mal habe ich in sehr kleinem Kreis mit ihm Mittag gegessen. Mit dem kam man in keinen Gefühlskontakt, er war wie ein Stück Holz. Eine eigentümliche Erscheinung. Wir nannten ihn in München nur den Friseurgehilfen.
    Mir hörte er ja damals zu, weil ich ihn beraten sollte. Wenn er redete, war alles Unsinn. Er war sehr unwissend. Später war das wohl anders. Mit Hilfe von gebildeten Frauen hat er viel gelernt, das ist immer wieder gesagt worden, all die Herren, die mit ihm zu tun hatten, sagten das. Auch sein Gedächtnis.– Davon hab’ ich damals nichts gemerkt. Ich hab ihn gefragt: » Wie haben Sie sich das eigentlich vorgestellt, als Sie in München marschiert sind, wie wären Sie nach Berlin gekommen? So können Sie das doch nicht machen«, hab ich gesagt. » Sie müssen ganz legal an die Macht zu kommen versuchen.« Und das hat er sich dann ja leider zu Herzen genommen.
    Er bemühte sich, in Gesellschaft als gebildeter Mensch zu erscheinen. Aber es war unmöglich, mit ihm in psychischen Kontakt zu kommen. Dies etwas Starre und die Suggestionsgabe. Von 20 Leuten auf einer Besprechung, sind 18 auf ihn reingefallen, obwohl er nur dummes Zeug gesagt hatte. Krankhaft.
    Zahnarzt, 1898
    Ich habe ihn auch mal gesehen, da war eine große Versammlung auf der Rennbahn in Rostock von den Nazis, und zwar in der Verbotszeit, wo sie also ihre braunen Hemden nicht tragen durften, da hatten sie weiße Hemden an. Und da mußten wir natürlich auch hingehen und uns das anhören, da sollte Hitler sprechen. Er kam mit gewaltiger Verspätung, und ich hab’ ihn mit’m Auto vorbeifahren sehen und oben auf der Tribüne, und dann hat er getost. Was der geredet hat, da wollt’ ich damals schon nichts von wissen, und zwar weil ich infolge meiner jüdischen Abkunft von vornherein dagegen war. Imponiert hat mir damals die Organisation dieses Massenaufmarsches, das klappte tadellos, die Ordner überall und » hierhin gehen« und » dahin gehen…« usw. Das klappte. Was er da geseiert hat, da hab ich nicht viel zugehört.
    Buchhändler, 1909
    Vor 33, und, ganz eigenartig, er hat mich nicht beeindruckt. Ob ich politisch immun bin, weiß ich nicht. Fuhr da vorbei, saß da vorn drin, ich sag’: Was soll’s?
    Ich kann keine Beerdigung sehen, ohne zu weinen, und bin wirklich nicht kalt, aber da, wieso es kommt, daß ich da nicht fasziniert war, ich weiß es nicht.
    Hier in unserer Stadt waren die verkrachten Existenzen Nazis. Wahrscheinlich kam das deshalb.
    Fotograf, 1893
    Das war in Günzburg, in einer Maschinenhalle, ich weiß nicht mehr, wie die hieß. Das ist vor 33 gewesen, schon lange her. Ich glaube, anno 25 oder 28. Wir sind von Weißenhorn mit dem Omnibus nach Günzburg gefahren. Da waren wir– wie viele passen in solch einen Omnibus– so 25 oder 30 Mann. Da sind wir hingefahren, um die Neuigkeit zu sehn. Ausgesehen hat er halt so, wie man ihn illustriert gesehen hat, in den Zeitungen. Damals war Hitler noch temperamentvoll. Da hat er noch nicht so viel hinter sich gehabt wie in den späteren Jahrgängen.
    Kfm. Direktor, 1911
    Fünfzigmal habe ich Hitler gesehen! Zum ersten Mal 1926, da kam er gerade aus der Festung, da hat er in Rostock im Sportpalast gesprochen, so ein schmächtiges Bürschlein, zog seinen Ledermantel aus und hat gesprochen, ich kann Ihnen sagen! Drei Stunden frei! Faszinierend. Sein ganzes Buch, wie er dazu kam und vom Krieg und das Völkische, und wir waren ja alle auf das eingeschworen, schwarz-weiß-rot usw., wir waren ja alle jung und begeistert, und er sprach natürlich so, daß es junge Leute begeistern mußte. Schließlich stand dann noch so einer von der SPD auf und meldete sich zur Diskussion. Der hat dann da drei Minuten was zusammengestottert, wir haben ja bloß gelacht. Und ein paar Kommunisten rissen auch das Maul auf, die wollten da anfangen, die hat er vielleicht fertiggemacht! Er schlug sie mit ihren eigenen Waffen, die gingen rückwärts zum Saal hinaus. Da sagten wir uns doch, Donnerwetter…
    Na, und denn
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