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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
Autoren: Walter Kempowski
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kleine Rede, erinnere ich mich noch: » Dieses Bild sehe ich überall, wo ich hinkomme…«, so ungefähr, also die vielen Menschen, die ihm zujubelten, meinte er. Pipapo.
    Eine Frau
    1932 habe ich Hitler in Allenstein, in der Theaterstraße, am Nachmittag aus ca. 15 Metern Entfernung gesehen.
    Hitler kam vorbei, stehend mit dem Hitlergruß im offenen Wagen– mit starrem Blick–, er sah übermüdet aus in seiner verschwitzten Hitleruniform und mit seiner Schmalztolle. Er wirkte ausgesprochen ungepflegt und war ohne Kopfbedeckung.
    Zu beiden Seiten auf einem langen Trittbrett standen je vier SS -Männer, alle ca. 190 groß, mit Stahlhelmen und mit dem Gesicht zu Hitler.– Vorn und hinten waren durchsichtige Platten, so daß man Hitler von allen Seiten sehen konnte. Und auf dem Bürgersteig standen Deutsch-Nationale auch in Uniform, und ein Steinhagel prasselte auf die SS -Männer. Hitler war im Wagen viel kleiner, ihn konnten die Steine kaum treffen, und die SS -Männer mit ihren Stahlhelmen, die Rücken waren ganz sicher abgepolstert, verrieten keinen Schmerz.
    Die Menschen gingen alle wortlos vorüber– alle. Wir blieben stehen und die Deutsch-Nationalen, alle so zwischen 25 und 40 Jahre alt, brüllten neben uns: » Die müssen sich ja erst ein Hakenkreuz auf den Arsch malen, sonst erkennt sie keiner!« Es war schlimm, aber wir fanden das alles in Ordnung und hätten sie am liebsten alles mögliche gefragt, aber sie liefen weiter hinter dem Wagen her und warfen weiter Steine.
    Lektor, 1916
    Das erste Mal habe ich ihn gesehen vor 1933 in München während eines Wahlkampfes für den Reichstag. Es war ein heißer Sommersonntagnachmittag. Neben dem Dante-Bad war ein großes weiß-blaues Bierzelt aufgestellt. Auf dem Heimweg vom Baden ging ich dort vorbei. Das Zelt muß nicht sehr voll gewesen sein, denn ich konnte ohne weiteres hinten hineingehen. Es war heiß und dunstig. Vorne stand Hitler und brüllte mit heiserer Stimme; wenn er eine Pause machte, brüllten die Zuschauer. Ich ging bald weg, und zu Hause erzählte ich: Da braucht ihr keine Angst haben, den wählt niemand, so ein Geschrei kann doch keinen überzeugen.
    Ein Mann.
    1932.– Einen schreienden braunen… In einem Zirkuszelt trat er auf.
    Man kann sagen: » Er trat auf.«
    Hausfrau, 1881
    Den Hitler? Ja, freilich, im Zelt hat er so a Wahlred g’halten, i hab’ ganz nah’ bei ihm g’sessen.
    Was er für einen Eindruck g’macht hat? Immer an’n verrückten, mit sei Frisur un sei’m Bärtle… Bei uns in der Nähe is a Pastor, der hat grad’ so ausg’schaut, da haben die Leut immer g’sagt, er soll sich doch bloß die Haar abschneiden, weil er so an’n Ähnlichkeit g’habt hat.
    Kaufmann, 1912
    In Blankenburg, 1932, da war ich zwanzig, und die halbe Allianz, das war eine Gebetsvereinigung, die war gefüllt von Leuten, die ihn verehrten. Wir kamen etwas spät und sahen ihn aus ziemlicher Ferne, durch Zigarren- und Zigarettendunst. Und ich seh ihn noch da hämmern, mit der Hand. Martialische Betonung, gehackte Vokale. Er marschierte dann durch das Spalier, grüßte nach allen Seiten und verschwand wieder.
    Architekt, 1919
    In Magdeburg hab’ ich ihn gesehen, ich war 13 und marschierte mit Bruder und Mutter zur Stadthalle, wo der große Führer sprechen sollte. Das war 1932. Und da wurde der Führer überfallen, das Auto wurde auf dem Weg dorthin angehalten, und die wollten ihm Prügel anbieten.
    Die Rede wurde dann übertragen, aus der Stadthalle, und meine Mutter sagte bei der Übertragung: » Mir ist ganz unwohl bei der Sache, wenn der Kerl ans Ruder kommt, gibt’s Krieg.«
    Sozialarbeiter, 1924
    1932.– Mit meiner Nachbarin und Schulfreundin ging ich zur Schule. Am Gemeindebüro standen und hingen Plakate. Wir heben beide die Faust und sagen diesen SPD -Gruß: » Freiheit« oder » Frei Heil!«, und zwar ballten wir die Rechte. Kommunisten ballen ja die Linke (ob das stimmt, weiß ich nicht).
    Der Ort war rosarot, Mädchen und Jungen badeten da nackt zusammen, sehr fortschrittlich. Nach 33 mußten da die meisten Lehrer gehn.
    Meine Schulfreundin hieß Maria Mendelsohn, die war Jüdin und hat meinem Vater nach dem Krieg noch sehr geholfen.
    Städtischer Angestellter, 1908
    Ich hab’ ihn öfter gesehen, den Adolf Hitler. Er war auch einmal in Ulm. Er machte den Eindruck, wenn man ihn gesehen hat (immer nur in Uniform), eines Despoten, eines Herrschers, der von sich eingenommen ist und seiner Sache hundertprozentig sicher. So kann man ihn
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