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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
Autoren: Walter Kempowski
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dort hab’ ich bei der Massenräumung des Konzentrationslagers zugesehen, wie die SS da das KZ geräumt hat. Wer stehenblieb, wurde erschossen.
    Die Leichen lagen dann da.
    Chirurg
    Kurz vor Ende des Krieges tauchten die ersten gestreiften Häftlinge bei uns auf, im Erzgebirge, da wurden die durchgetrieben.
    Mein Vater nahm oft ’ne Aktentasche voll Brot mit in die Fabrik, Russen und Polen arbeiteten da, obwohl er in der Partei war, gab er ihnen das.– Nach dem Krieg haben wir dann Pakete von denen gekriegt, ich erinnere mich noch sehr deutlich an den schwarzen belgischen Tabak.
    Biologe, 1928
    Ich war Marinehelfer in Kiel. Nach einem Alarm im Frühjahr 1945 standen wir vor einem Bunker, und da wurde ein Trupp von Häftlingen vorgeführt, fünfzig bis achtzig Menschen. Die machten einen sehr entkräfteten und zerlumpten Eindruck. Grau. Die stützten sich gegenseitig. Einige SS -Leute trieben die da längs, und die SS -Leute hatten Zigaretten im Mund und das Gewehr wie die Jäger mit der Mündung nach unten.
    Einige Frauen weinten und sagten: » So wird’s uns bald auch ergehen.«
    Jurist, 1921
    Ich habe ein Frauen- KZ im Vorbeifahren gesehen, Ravensbrück, auf dem Rückzug von der Oder. Schrecklich! Das Lager wurde aufgelöst, und die Häftlingsfrauen zogen in Gruppen dahin, unter Aufsicht von SS -Frauen in Schaftstiefeln mit Schäferhunden.
    Wir zogen mit denen gemeinsam von Osten nach Westen, acht Tage vor Schluß.
    Sie waren unterernährt. Der Kontrast zu den uniformierten Bewacherinnen war doch sehr stark. Die taten denen übrigens nichts.
    Sie zogen wie ein ausgestoßenes Volk dahin, gebückt, mit stumpfem Blick.
    Hausfrau, 1930
    Im März 1945 wurde ein Zug von Häftlingen durch die Stadt geführt, durch Ohrdruf. Sie wurden zum Bahnhof geführt, graue, fahle Menschen. Was mir noch besonders in Erinnerung ist, das Gefälle in der Stimmung zwischen der Bevölkerung und diesen Menschen. Es war ein Stimmungsgefälle zwischen denen, die da zuguckten, und denen, die da gingen. Die wichen direkt zurück.
    Eine Frau
    Ich hab’ auf der Flucht von Schlesien in Richtung Weimar Buchenwald gesehen und auch Häftlinge, die da die Straßen entlanggetrieben wurden, Politische und Kriminelle.
    Das Wort » KZ « ist immer gefallen, aber als Jugendlicher habe ich das immer in Verbindung gebracht mit Kriminellen.
    Chemievertreter, 1921
    In Parchim, da hab’ ich am Wegrand erschossene Häftlinge gesehen, » KZ ler«, wie sie genannt wurden, die lagen da, zwei, drei, vier oder fünf. Ich nehme an, daß das Fußkranke waren, die liquidiert wurden. Ich fuhr einen Lkw und hatte Flüchtlinge geladen. Ich hatte nicht viel Zeit zum Nachdenken, weil ich mit einem Offizier in Streit geraten war, der mir entgegenkam und dem ich nicht schnell genug ausgewichen war.
    Ein Mann, 1927
    Beim Rückzug in Thüringen haben wir Häftlingsgruppen gesehen, die zu Fuß an den Straßenrändern entlangschlichen, unter Bewachung.
    Das seien Zuchthäusler, die in Sicherheit gebracht würden, wurde uns gesagt.
    Sträflingskleidung.
    Arzt
    Ich mußte nach Winsen, in den letzten Kriegstagen. Bevor wir übersetzten, mußten wir auf die Fähre warten, und da war alles vollgestopft mit KZ -Häftlingen, die lagen da im Gras und konnten nicht mehr weiter.– In Winsen sprach ich mit einer Krankenschwester, der erzählte ich das: » Haben Sie gesehen, was da los war?«– » Ja, ja, ich habe einen Bekannten, der ist SS -Offizier, der hat gesagt: › Die lassen wir alle über die Klinge springen. ‹ «
    Das waren Dänen, und mir war peinlich, daß ich da mein Weißbrot aß.
    Bauingenieur, 1921
    In den letzten Monaten des Krieges sollte ich mit einem Führernachwuchsbataillon nach Friesland verlegt werden. Wir wurden vor Bremen ausgeladen und sollten im Fußmarsch den Raum Aurich erreichen. Dazu mußten wir bei Vegesack über die Weser setzen. Ich führte das Vorauskommando, um Treibstoff für die Fähre zu bringen. Bei Ankunft an der Fähre erklärte der Kommandant, Major einer Landesschützeneinheit, daß ich dafür zu sorgen hätte, daß die Truppe vor Vegesack abseits der Straße sich aufzuhalten hätte. Es käme gleich ein KZ -Lager, die in Richtung Lüneburger Heide gebracht werden sollten. Mir gestattete er jedoch, dort zu bleiben, um dieses Elend zu sehen. Bei Landung des ersten Transportes fuhren SS -Leute auf Beiwagenkrädern und riefen den Bewohnern zu: » Fenster zu, zurücktreten, und laßt euch nicht sehen!« Und sie schossen in die Häuser. Als die
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