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Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt

Titel: Haben Sie Hitler gesehen - Haben Sie davon gewußt
Autoren: Walter Kempowski
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Für mich war das Wort » Konzentrationslager« unbekannt, damit hatte ich nichts zu tun. Aber kurz vordem die Russen kamen, hatten wir Bahnhofsdienst. Da kam ein Transport aus dem Osten, und wir vom Bahnhofsdienst wurden zurückgepfiffen. » Warum?« fragten wir, denn wir waren ja jung, wir wollten helfen.– » Die haben ansteckende Krankheiten, da dürft ihr nicht hin.«– Das waren Häftlinge aus dem Osten, und wir waren sehr bedrückt.

8
    Bauer, 1923
    Ende des Krieges wurde gemunkelt, daß sie in Sandbostel jeden Tag » fünfzig« eingekuhlt haben. Aber das hat man ja nicht geglaubt.
    Kleindarsteller, 1915
    Nach der Eroberung von Wien, im März 1945, da sah ich in Ebensee die Kamine so komisch rauchen, das war eine Zweigstelle von Mauthausen. Wir fragten die Bevölkerung, und die deuteten das an.
    Hausfrau, 1912
    Den KZ -Insassen hab’ ich Brot gebracht, kurz vorm Zusammenbruch auf’n Acker. Die mußten sich immer das Trinkwasser aus dem Herrenteich holen.
    Die abgerichteten Hunde.
    Studienrat, 1928
    Wir sollten den Friesenwall bauen, Ende des Krieges, im Westen, als Hitlerjungen, einen Verteidigungswall, und da haben wir mal gehört, daß es KZ s gäbe. Daß die nicht über den Hof gehen dürften, sondern immer laufen müßten, das wurde erzählt. Und dann wurde ferner erzählt, daß im Emsland, da sind ja Erdölbohrungen, daß dort KZ -Leute angestellt würden für dreckige Arbeiten. Die mußten die Rohre, wenn die aus der Erde kamen, mit den bloßen Händen abstreifen, daß sie sauber sind.
    Buchhändler, 1930
    Ich habe nur ein furchtbares Erlebnis gehabt, das geht mir heut’ noch nach, und das hab’ ich noch niemandem erzählt. 1945 war das, auf dem Land, in Niederbayern. Da haben sie in einer Scheune mindestens fünfhundert Russen gehabt, und die Russen haben nur kalte Kartoffeln gekriegt, abgebrüht, die kriegten sie reingeschüttet, und haben sich geprügelt da drum. Und irgendwie haben sie’s fertiggekriegt, Ringe zu machen, aus Metall, die waren Mode bei uns, jeder wollte so einen haben. Und da hat man irgendwo einen Ritz gesehen in der Scheunenwand und dann einen Finger mit dem Ring. » Drei Eier und vier Kartoffeln!« hat man gehört, so heiser, und ’n Gesicht gesehen, so fahl und eingefallen.
    Und dann hat mir einer von meinen Freunden vorgemacht, wie man das macht, daß man einen Ring kriegt, ohne zu bezahlen. Das geht mir heut’ noch nach. Das hab’ ich gemacht, den Ring hab’ ich genommen und bin weggegangen.
    Und da ist einer ausgerückt, den haben sie gekriegt, fünf Kilometer weit ist er gekommen. Und die Mütter und Frauen haben gesagt: » Bring ihn net um!« Aber der Posten ließ sich nicht erweichen: » Dem werden wir’s zeigen!« Gewehrkolben in die Rippen. Mehr hab’ ich nicht gesehen. Komisches Gefühl: Der wird nun umgebracht.
    Ringe und geschnitzte Vögel. Wunderbare Vögel, mit Federn, buntbemalt, schön.
    Regierungsdirektor
    Wir bauten in Hamburg-Finkenwerder eine U-Boot-Schule auf für Zwei-Mann-U-Boote. Ich kam mit’mWagen über Veddel rein, und da hab’ ich gesehen, daß man dort KZ -Häftlinge verwendete.
    Wer ist denn im KZ ? Das waren Homos, Juden und ausgesprochen Asoziale, das wußte man.
    Kaufmann
    Auch unter Kameraden haben wir nie darüber gesprochen. Einmal kam ein Reichsredner, war’s der Löbsack? Wir nannten ihn Blödsack.
    Wir saßen abends noch in der Messe zusammen – wir fühlten uns als Elite und nahmen ihn nicht für voll – sehr schnell wurde ziemlich hart gezecht, und da sagte er plötzlich, im Dunas: » Im übrigen … mit dem jüdischen Volk … Im Osten gibt es keinen einzigen Juden mehr …« Das erinnere ich noch durch den Nebel hindurch. Das ging uns eiskalt den Rücken herunter.
    Den haben wir dann furchtbar fertiggemacht, er hing dann in einer Ecke, und wir haben ihn mit Bier übergossen: Du altes Schwein, du Nazisau!
    Nachher gingen wir ja wieder an die Front.
    Autoschlosser
    Nein. – Ich war Frontsoldat.
    Das heißt doch! Ja! Moment mal! Im Danziger Kessel, da haben wir KZ ler gesehen. Denen haben wir zu essen gegeben. Die wollten auch raus aus dem Kessel. Die wollten nicht zum Russen.
    Kaufmann, 1922
    Ich bin noch bis ganz zuletzt in Berlin gewesen, bin erst ganz spät rausgekommen. Dann mußten wir nach Rechlin, und da sind wir auf dem Rückmarsch an KZ -Lagern vorbeigekommen.
    Architekt
    Ich war Funker, und wir wurden 1945 aus dem Kessel Danzig verlegt, wir sollten nach Prag kommen, und irgendwie landeten wir in Oranienbaum. Und
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