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Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)

Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)

Titel: Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
Autoren: Simone Keil
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aber Guy wollte nicht mehr Aufsehen erregen als nötig und die Zeit drängte. »Ich habe eine Einladung«, sagte er.
    Der Griff der Pranken lockerte sich etwas. »Dann zeig sie mal.«
    »Dazu müsste ich etwas unter dem Hemd hervorholen. Also …« Er packte die Handgelenke des Riesen, drückte sie zur Seite, drehte einen der gewaltigen Arme auf den Rücken und presste den Glatzkopf an die Wand. Der war so verdutzt, dass er nur ein Grunzen von sich gab. Dann griff Guy in seinen Kragen und zog die Kette hervor. Er öffnete das Medaillon und hielt es dem keuchenden Kerl direkt vors Auge. »Alles klar?«
    Der Einäugige nickte und Guy ließ ihn los. »Woher soll man das denn wissen, hm?« Er deutete mit dem Daumen auf die Tür. »Dann pass mal auf, dass du nicht ausrutscht und abstürzt.« Der Glatzkopf murmelte noch »Ich krieg dich noch, du Schnösel«, aber da betrat Guy schon die erste Stufe der rostigen Leiter.
     
    Endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Guy lehnte sich an die Felswand und drückte das Gesicht in die Armbeuge. Hatte es in der oberen Unterstadt schon gestunken, hier unten war die Luft kaum einzuatmen. Sein Magen protestierte und er musste sich zusammenreißen, um sich nicht zu übergeben. Es stank nach faulem Wasser und ranzigem Fett, nach Exkrementen und schmutzigen Körpern und über allem lag ein süßlicher Verwesungsgeruch. Wie konnte man hier nur leben? Wie hatte er hier leben können?
    Grünlich schimmerndes Licht erhellte den Stollengang nur spärlich, aber es reichte aus, um sich grob zu orientieren. Das Viertel der Alchimisten lag ganz in der Nähe, ein kurzer Fußmarsch durch die Gegend, in der sich die Ärmsten der Armen mit den Ratten um Essensreste stritten, dann das Viertel der Huren und Taschendiebe und schon konnte er die Kuppel aus dem grünen, unnatürlichen Licht sehen, die über dem Alchemistenviertel lag, wie der Schutzschirm über Cöln. Nur dass das grüne Leuchten nicht dem Schutz diente, es war ein Abfallprodukt, das durch die Verwendung der alchemistischen Substanzen entstand. So hatte es ihm Absolon einmal erklärt.
    Niemand belästigte ihn auf seinem Weg, keine der Huren kam ihm zu nahe, der Informationsfluss in der Unterwelt war ein reißender Strom. Er war sicher angekündigt worden und vielleicht wartete Absolon bereits auf ihn.
    Vor Magister Pötts Laboratorium blieb er einen Moment stehen und berührte das Medaillon. Dann trat er ohne anzuklopfen ein.
    Es war noch dreckiger und voller als er es in Erinnerung hatte. Bücher, wohin man nur sah. Sie stapelten sich auf den Möbeln und dem Fußboden. In den Regalen standen Gläser in verschiedenen Größen, in denen Körperteile schwammen, kleine Tiere, Augen, Organe. Und der Verwesungsgeruch schien im Haus noch präsenter zu sein, als draußen.
    Eine gedrungene Gestalt schälte sich aus dem Schatten. »Zweiundzwanzig Jahre«, sagte er. »Nach zweiundzwanzig Jahren tauchst du hier auf und dringst in mein Haus ein. Ich hätte dich töten können, bevor du mich überhaupt bemerkt hättest.«
    »Absolon«, sagte Guy nur. Was hätte er auch sagen sollen? Sie wussten beide, dass das kein Freundschaftsbesuch war, kein Gespräch von Bruder zu Bruder. Sie waren Fremde, die zufällig den gleichen Erzeuger hatten.
    »Nun, ich bin sehr beschäftigt, wie du dir denken kannst. Was willst du?« Absolon ging im Zimmer auf und ab, wie es seine Art war, wenn er nachdachte oder von Nervosität geplagt wurde.
    »Ich möchte einen Gefallen einfordern«, sagte Guy.
    »Natürlich möchtest du das. Dann sag, was du willst, damit wir die unselige Verbindung ein für alle Mal lösen können.«
    Absolon war alt geworden. Er ging gebeugt. Das dünne fettige Haar hing ihm in weißdurchzogenen Strähnen auf die Schultern. Und er wirkte noch seltsamer und weltentfernter als früher. »Mord«, sagte Guy und Absolon lachte auf.
    »Mord an Oberweltlern? Deswegen nimmst du die Strapazen auf dich und kommst in die Unterstadt?«
    »Den Opfern wurden die Augen entfernt«, fuhr Guy unbeirrt fort, »und um die Hälse waren Rosenkränze geschlungen.« Er registrierte, dass Absolon die Stirn in Falten legte. »Wie ich sehe, bin ich nicht umsonst hierhergekommen. Aber das Auffälligste an dem Fall: vom Täter fehlt jegliche Spur. Keine Signatur. Er scheint gar nicht zu existieren. Kannst du mir dazu etwas sagen?«
    Absolon verschränkte die Hände auf dem Rücken und schnalzte mit der Zunge. »Du weißt, dass ich dir über meine Kunden keine Auskunft
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