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Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)

Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)

Titel: Guy Lacroix: Auf der Jagd nach dem Rosenkranzmörder (Clockwork Cologne) (German Edition)
Autoren: Simone Keil
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entlang, der das Krematorium von der Straße trennte. Kein Zugang. Das Tor wurde nur geöffnet, wenn eine Beisetzung anstand. Aber wer würde auch dort hinein wollen? Das war kein Platz der letzten Ruhe, nichts erinnerte an einen Friedhof.
    Er blieb stehen und zündete seine Pfeife an. Es tat weh, den kahlen Platz zu sehen, »das Loch«, in dem die Toten verschwanden, sobald der Pfaffe sein sinnloses Geschwätz beendet hatte. Warum hatte er nicht einfach einen anderen Weg gewählt? Warum tat er sich das an? Er rieb sich über die Augen und sah Hedwigs Gesicht vor sich, roch den Duft ihrer Haut, spürte ihr weiches Haar zwischen seinen Fingern, doch dann verschwamm das Bild. Ihre Haut nahm einen gräulichen Ton an, wurde kalt, der Blick leer und entseelt.
    Ganz sicher war ihr Körper schon verbrannt worden – oder das, was die Fleischer der DMG davon übrig gelassen hatten. Und wofür? Er ballte die Fäuste. Verfluchtes Magierpack. Verfluchtes Engelsblau. Ohne ihren Hochmut und Größenwahn wäre es niemals zu dem GAU gekommen. Und Hedwig wäre noch am Leben. Er trat gegen eine Blechdose und schüttelte resigniert den Kopf. Würde, hätte, könnte. Es war, wie es war, nichts würde sie zurückbringen, nichts würde die Leere in seinem Herzen füllen und den Schmerz betäuben. Nicht einmal der Whiskey. Am nächsten Tag war der Schmerz umso schlimmer.
    Er ließ das Krematorium hinter sich und wandte die Schritte Richtung Dom. Er hatte etwas zu erledigen. Hoffentlich lebte Absolon noch in der stinkigen Bruchbude – war er überhaupt noch am Leben? Wie lange hatte er ihn nicht mehr gesehen? Zwanzig Jahre? Vielleicht länger. Guy war nicht erpicht darauf, seinen Halbbruder zu treffen, aber er war der Einzige, der ihm vielleicht weiterhelfen konnte. Er und seine zwielichtigen Freunde.
    Er stieg den Domhügel hinauf ohne die dreckigen Kinder zu beachten, die ihm in einigem Abstand folgten. Er hatte auch keinen Blick für die Bretterbuden übrig, die mehr Unrat, als Behausung waren. Die Zeiten waren hart, jeder musste selbst sehen, wie er zurechtkam. Er konnte die hasserfüllten Blicke förmlich spüren, aber sie würden ihm nicht zu nahe kommen, sie würden es nicht wagen einen Kommissär des KKA offen anzugreifen. Nicht bei Tag.
    Der Zugang zum Aufzug befand sich hinter einem Pfeiler. Guy betätigte den Hebel und wartete, bis die Kabine quietschend und rumpelnd angekommen war, dann öffnete er das Scherengitter, stieg ein und schloss es hinter sich wieder. »Abwärts«, murmelte er. Im Moment schien alles nur noch abwärts zu gehen.
     
    Der fettige Gestank aus einer Garküche mischte sich mit der zähen Luft und nahm Guy einen Moment den Atem. Unter seinen Sohlen knirschte Unrat, Ratten flitzten durch die widerliche Brühe im Rinnstein. Er folgte dem Weg bis zur nächsten Abzweigung und versuchte sich im spärlichen Licht der Ætherlampen zu orientieren. Er befand sich in einem der alten U-Bahnstollen der oberen Unterstadt, aber Absolon lebte in der wahren Unterstadt, die sich tief unter den Stollen und baufälligen Schächten befand. Es gab mehrere geheime Zugänge, einer davon befand sich im Hinterzimmer des »Eberkopf«.
    Er betrat die Wirtschaft, ein uraltes Gemisch aus Schweiß und billigem Schnaps schlug ihm entgegen. Der Boden war mit feuchten Sägespänen bedeckt. Eine falsche Rothaarige schleppte Bierkrüge an einen Tisch, an dem drei Männer Karten spielten. An der Theke standen zwei weitere Betrunkene, der Barmann hievte ein Fass Bier hinter die Theke. Ansonsten waren keine Gäste zu sehen, auch die Tür zum Hinterzimmer wurde nicht bewacht. Hoffentlich existierte der Zugang zur Unterstadt überhaupt noch.
    Guy beobachtete die Umgebung aus den Augenwinkeln und durchquerte zielstrebig den Schankraum. Erst als er die Tür zum Hinterzimmer öffnete, packten ihn zwei riesige Pranken am Kragen und er wurde an die Wand gedrückt.
    »Na, Bürschchen, wo soll’s denn hingehen?«
    Der Kerl überragte Guy um einen ganzen Kopf und starrte ihn aus einem zusammengekniffenen Auge an. Dort, wo das zweite hätte sein sollen, befand sich nur eine leere Höhle. Aus dem zahnlosen Mund stank es schlimmer als aus dem Rinnstein.
    »Nach unten«, antwortete er gepresst.
    »Nach unten. Das is ja mal spannend.« Der Glatzkopf zupfte an Guys Kragen. »Und da glaubst du, du spazierst einfach durch den Eberkopf und gehst runter, hm?«
    Mit einem gezielten Tritt zwischen die Beine und zwei Faustschlägen wäre die Sache erledigt gewesen,
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