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Gut gegen Nordwind

Gut gegen Nordwind

Titel: Gut gegen Nordwind
Autoren: Daniel Glattauer
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würde verdammt gerne wissen, wie jemand aussieht, der so schreibt wie Sie. Das würde es dann erklären. Apropos erklären: Ich will hier eigentlich nicht von meinem Mann reden. Sie können gern über Ihre Frauen reden (falls es solche nicht nur in der Mailbox gibt). Ich kann Ihnen auch gute Ratschläge geben, ich kann mich hervorragend in Frauen hineinfühlen, ich bin nämlich eine. Aber mein Mann ... Schön, ich sage es Ihnen: Wir haben eine wunderbare, harmonische Beziehung mit zwei Kindern (die er freundlicherweise mitgebracht hat, um mir Schwangerschaften zu ersparen). Wir haben an sich keine Geheimnisse voreinander. Ich hab ihm erzählt, dass ich mich mit einem »netten Sprachpsychologen« öfters per E-Mail unterhalte. Er hat gefragt: Willst du ihn kennen lernen? Ich hab geantwortet: Nein. Er sagt darauf: Was soll das dann? Ich: Gar nichts. Er: Ah so. – Das war’s. Mehr wollte er von mir nicht wissen, mehr wollte ich ihm nicht sagen. Mehr möchte ich über ihn nicht reden. Okay?
    So, lieber Graupelbär, nun zu Ihnen: Wie sehen Sie aus? Sagen Sie’s mir. Bitte!!! Alles Liebe, Ihre Emmi.
     
    Am nächsten Tag
    Betreff: Test
    Liebe Emmi, ich kann mich Ihren Kalt-warm-Bädern auch nur schwer entziehen. Wer zahlt uns eigentlich die Zeit, die wir hier miteinander (ohne einander) versitzen? Und wie bringen Sie das mit Ihrem Beruf und Ihrer Familie unter einen Hut? Vermutlich hat jedes Ihrer beiden Kinder noch mindestens drei Streifenhörnchen oder Ähnliches. Wo nehmen Sie da die Muße her, sich so intensiv und akribisch mit fremden Graupelbären zu beschäftigen?
    Sie wollen also unbedingt wissen, wie ich aussehe? Gut, ich stelle jetzt eine Behauptung auf und schlage Ihnen ein Spiel vor, zugegeben, ein verrücktes Spiel, aber Sie sollen mich auch von einer anderen Seite kennen lernen. Also: Ich wette, ich finde unter, sagen wir, zwanzig Frauen sofort die eine und einzige EmmiRothner heraus, während Sie unter ebenso vielen Männern den echten Leo Leike niemals erraten würden. Wollen wir es auf diesen Test ankommen lassen? Wenn Sie ja sagen, können wir uns einen entsprechenden Modus überlegen. Angenehmen Vormittag, Leo.
     
    50 Minuten später
    RE:
    Aber sicher machen wir das! Sie sind ja ein echter Abenteurer! Vorweg meine Bedenken, Sie dürfen mir das aber nicht übel nehmen: Ich rechne damit, dass Sie mir optisch überhaupt nicht gefallen, lieber Leo. Und die Chance dafür ist groß, denn mir gefallen Männer prinzipiell nicht, sieht man von wenigen (zumeist schwulen) Ausnahmen ab. Umgekehrt – na ja, da sage ich jetzt lieber nichts dazu. Sie bilden sich ja ein, mich sofort zu erkennen. Dann werden Sie wohl eine Vorstellung haben, wie ich aussehe. Wie war das damals? »42 Jahre alt, klein, zierlich, quirlig, kurze dunkle Haare.« Da wünsche ich Ihnen jetzt schon viel Erfolg beim Erkennen! Also wie machen wir es? Schicken wir uns je zwanzig Bilder, darunter das eigene? Lieber Gruß, Emmi.
     
    Zwei Stunden später
    AW:
    Liebe Emmi, ich schlage vor, dass wir uns persönlich begegnen, ohne es zu wissen, also so, dass wir in der Masse von Menschen verwechselbar bleiben. Wir könnten zum Beispiel das Große Messecafé Huber in der Ergeltstraße wählen. Das kennen Sie bestimmt. Dort trifft laufend sehr gemischtes Publikum ein. Wir wählen eine Zeitstrecke von zwei Stunden, vielleicht an einem Sonntagnachmittag, und innerhalb dieser Zeit sind wir beide anwesend. Durch das ständige Auf und Ab und das dichte Gedränge im Salon wird nicht auffallen, dass wir uns gegenseitig zu entdecken versuchen.
    Was Ihre mögliche Enttäuschung betrifft, wenn ich Ihren optischenWünschen nicht entspreche, so meine ich, dass wir das Geheimnis um unser Äußeres ja auch nach der Begegnung nicht preisgeben müssen. Interessant ist, ob und woran einer den anderen zu erkennen glaubt, nicht, wie wir beide tatsächlich aussehen, meine ich. Ich sage noch einmal: Ich will nicht wissen, wie Sie aussehen. Ich will Sie nur erkennen. Und das werde ich. Übrigens halte ich meine früher einmal geäußerte Personenbeschreibung nicht mehr aufrecht. Sie sind für mich (trotz Ehemann und Kindern) etwas jünger geworden, Frau Emma Rothner.
    Und noch etwas: Ich freue mich sehr, dass Sie immer wieder aus alten E-Mails von mir zitieren. Das bedeutet, dass Sie sie offensichtlich aufgehoben haben. Das ist schmeichelhaft.
    Was halten Sie von meiner Idee der Begegnung? Alles Liebe, Leo.
     
    40 Minuten später
    RE:
    Lieber Leo, ein Problem gibt es
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