Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gun Machine

Gun Machine

Titel: Gun Machine
Autoren: Warren Ellis
Vom Netzwerk:
an die Lippen.
    Tallow zog ein letztes Mal an der Zigarette. Drehte sich zur Straße und schnippte den Stummel zielgenau über den Gehsteig in einen Gulli. Und kippte sich etwas Kaffee in die Kehle, um den Geschmack wegzuspülen.
    Die Lieutenant beobachtete ihn weiter. » Sie haben mir noch gar nicht von dem Apartment erzählt, das Sie durchlöchert haben. «
    Er sog die Backen ein, um den ätzenden Geschmack ganz hinten an seiner Zunge mit Kaffeespeichel zu ersticken. » Gibt nicht viel zu erzählen. So was hab ich noch nie gesehen. Wird ein spannender Zeitungsartikel, wenn’s durchsickert. « Tallow fiel auf, dass sie ihn immer noch beäugte. » Was ist los, Lieutenant? Hab ich was falsch gemacht? «
    » Ich fürchte, Sie verkriechen sich gerade tiefer in Ihrem Kopf, als mir recht sein kann. Tiefer als sonst. Ich muss wissen, dass Sie sich mit dem heutigen Tag auseinandersetzen, John. «
    » Mir geht’s gut. «
    » Das finde ich ja so beunruhigend. Ich habe Jim und Sie vor Jahren zu einem Team gemacht, weil sich Ihr persönlicher Wahnsinn gegenseitig ergänzt hat. Der eine hat den anderen in Schach gehalten. Jetzt will ich, dass Sie sich nicht wieder in sich zurückziehen und die Welt da draußen nur noch aus der sicheren Deckung heraus mit dem Fernrohr beobachten. Im letzten Jahr war es schon schlimm genug. «
    » Ich kann nicht ganz folgen. «
    Die Lieutenant stand auf. » Doch, können Sie. In Ihrem Alter ist der Kick bei unserem Job weg und die endlose Plackerei zur Gewohnheit geworden, und da fragt man sich schon mal, ob es so schlimm wäre, sich um nichts mehr zu scheren, die Sache nur noch laufen zu lassen und möglichst wenig zu investieren. Ich verordne Ihnen eine Auszeit von achtundvierzig Stunden. Wenn Sie zurückkommen, sind Sie ein Detective, den ich gebrauchen kann. « Sie machte eine Pause und versuchte noch einmal, ihr Lächeln auszupacken. » Das mit Jim tut mir leid. « Das Lächeln schlug nicht an. Sie ging.
    Fünf Minuten lang saß Tallow bloß da und drehte eine zweite Zigarette zwischen den Fingern. Dann steckte er sie zurück in die Schachtel. Schob Schachtel und Feuerzeug in die Tasche. Betrat das Café, rannte auf die Toilette und kotzte den Kaffee und seine beiden letzten Mahlzeiten mit einem dünnen Schrei in die Kloschüssel.

Vier
    Jim Rosato hatte mal angemerkt, dass Tallow sein Apartment benutzte, um das Zeug aus seinem Kopf abzuladen.
    Ein Zimmer war vollgestopft mit Büchern, Zeitschriften und Papier. Die Tür fehlte, der Damm war gebrochen, und so hatten die bedruckten Massen das Wohnzimmer geflutet, wo sie sich an einem Tisch stauten, auf dem zwei alte Laptops und ein externes Laufwerk hausten. Zwei hohe Lautsprecher ragten aus dem Meer wie Leuchttürme. Das andere Zimmer war zur Hälfte zugemauert mit CD s, Kassetten und Vinyl. In der Ecke stand ein Kleiderständer, den Tallow aus einem Müllcontainer stibitzt hatte. Das war sein Kleiderschrank, doch die meisten Klamotten häuften sich darunter auf dem Boden.
    Tallow rammte sich mit einem Ellenbogen ins Apartment, die heutigen Zeitschriften unter dem Arm. Das war nicht mehr der fette Stapel, den er sich noch vor fünf Jahren zum Monatsanfang besorgt hätte. Viele gute Sachen waren ins Netz abgewandert. Noch mehr gute Sachen waren auf Nimmerwiedersehen hinter dem Horizont der digitalen Morgendämmerung verschwunden.
    Statt die Hefte aufzuschlagen, legte er sie auf die nächstbeste stabile Fläche. Er zog das Sakko aus und wand sich aus dem Schultergurt. Hängte den Gurt an den Kleiderständer, ließ das Sakko auf den Boden fallen. Und setzte sich auf einen seiner zwei Stühle.
    Er versuchte, an das Apartment voller Waffen zu denken. Wie es zu so einem Ort kommen konnte. Doch alles, was in seinem Kopf bleiben wollte, war sein Partner und einziger echter Freund, dem eine Schrotflinte eine Handvoll Hirn wegblies.
    Achtundvierzig Stunden. Tallow wusste, dass er hier drinnen den Verstand verlieren würde.

Fünf
    Tallows Schlaf war gespickt mit unspektakulären, kupferfarben glänzenden Albträumen. Bis ihn das Handy auf dem Bücherstapel neben dem Bett weckte.
    Die Frauen in seinem Leben hatten ihn ausnahmslos darüber informiert, dass er regelmäßig mit einer Art Tourette erwachte. In der ersten Morgenstunde war es ihm unmöglich, auf Zurückhaltung, Geduld oder Sozialkompetenz zurückzugreifen.
    » Scheiße was? « , fiel er über das Telefon her.
    » Kommen Sie ins Büro. «
    » Verfickte Auszeit von achtundvierzig Stunden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher