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Gun Machine

Gun Machine

Titel: Gun Machine
Autoren: Warren Ellis
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Nachgeschmack auf seiner Zunge, gefolgt vom unwillkürlichen Griff nach dem süßen, starken Kaffee, um die Rückstände der Kippe wegzuwaschen und seinen Schädel vor noch mehr Schwindelgefühl zu bewahren. Tallow hatte seit neun Monaten nicht mehr geraucht. Und seiner Meinung nach hatte er auch nicht wieder angefangen. Diese Zigarette hatte medizinische Gründe. Wenn er vom Tisch aufstand, würde er die Schachtel und das Feuerzeug wegschmeißen.
    Die nächsten Schritte. Die Musik, die aus der offenen Tür des Cafés auf die Straße waberte– Glo-fi aus Brooklyn von vor ein paar Sommern, Kids aus den Randbezirken von Park Slope, die sich die Strände Kaliforniens ausmalten. Und die zwei Mädchen auf der anderen Seite des Ladenfensters, beide mit zu Quasi-Iros hochgegeltem Haar, beide in ärmellosen Kapuzenpullis, die unfertige Oberarmtattoos einrahmten; das unfertigere war schöner. Dieses Mädchen hatte offensichtlich weniger Geld, aber ein besseres Auge für Künstler.
    Hinter ihnen, auf einem Gestell neben der Theke, ratterte ein Drucker, ein Verkaufsautomat, der Print-On-Demand-Dokumente oder Schnappschuss-Aggregate aus sozialen Netzwerken raushustete.
    Stufen. Ein Bus röhrte vorüber. Ein schwarzer Ausschlag aus toten Pixeln zog sich über die dynamische Anzeigetafel an seiner Seite– Werbung für ein computeranimiertes Dings mit drei Versionen von Arnold Schwarzenegger in den Hauptrollen, darunter ein Arnold mit Mitte zwanzig und einer mit Mitte dreißig. Auf den Bus folgte ein ungeduldig hoppelndes Auto, ein nigelnagelneuer Wagen frisch aus dem Verkaufsraum, aber mit stolz geschwungenen Heckflossen wie aus den Fünfzigern. Ein strahlend roter Sportschlitten, mit einem Mann am Steuer, der bereits an der Fünfzig kratzte und sein ebenso strahlendes, rot-weiß gestreiftes Hemd sorgfältig hochgekrempelt hatte, um einen gut gepflegten Pelz aus grauer Unterarmbehaarung zu präsentieren.
    Schritte. Jim Rosato war tot, und nichts konnte den Kupfergeschmack vertreiben, der Tallow immer wieder in die Zunge stach. Als hätte er ein paar Atome von Jims verdampftem Blut eingeatmet, als die Schrotflinte seinem Partner den halben Kopf weggedonnert hatte. Tallow hatte alles abgeblockt, aber jetzt waren die Vorhänge runter, und er sah Jims Tod in einer erbarmungslosen HD -Endlosschleife.
    Er würgte am Kippenqualm.
    » Wusste ich’s doch, dass ich Sie hier finde. Darf ich mich setzen? «
    Seine Augen schnappten auf. Auf der anderen Seite des Tischs stand die Lieutenant, einen Kaffee in der Hand. Tallow fragte sich, wie lange er schon so vor ihr gehockt, seinem Partner beim Sterben zugesehen und nichts mitbekommen hatte.
    » Bitte « , sagte er.
    Die Lieutenant hatte eine eigentümliche, gemächliche Art, sich hinzusetzen und aufzustehen, wie ein präzises Klappmesser. Kopf und Schultern bewegten sich dabei kaum, und ihr schwarzes Kostüm warf makellose Falten, als sie Beine in Schlaghosen ausfuhr. Der Vater der Lieutenant war Schneider und flickte ihr Maßklamotten zum Selbstkostenpreis zusammen. Wenn sie neu eingekleidet war, ging man ihr bekanntlich lieber aus dem Weg. Das Abholen eines neuen Kostüms folgte nämlich einem strengen Ritual, bei dem ihr Vater sie lang und breit wegen ihres Aufstiegs zum » Oberarsch « beschimpfte.
    Sie taxierte Tallow mit ihren scharfen, hellen Augen. » Ich habe mit Jims Frau gesprochen « , sagte sie schließlich, während sie den Kaffeebecher mit ihren Klarlack-Nägeln vom Deckel befreite.
    » Ich hab was weggelassen, als wir vorhin geredet haben « , erwiderte Tallow. » Als Jim in Schussposition gegangen ist, ist ihm ein Knie weggeknickt. Wegen der vielen Joggerei. Ich wollte nicht, dass Sie ihr davon erzählen. «
    » Das können Sie gerne auch im schriftlichen Bericht weglassen. « Die Lieutenant versuchte sich an einem Lächeln. Sie hatte ein markantes, attraktives Gesicht, und wenn sie lächelte, glaubte Tallow jedes Mal, hinter der harten Maske und unter dem zweckmäßigen Kurzhaarschnitt ein kleines Mädchen hervorlinsen zu sehen. » Wegen der Schüsse bekommen Sie natürlich keine Probleme. Ich habe mit ein paar Leuten gesprochen. Sie müssen eine Vorladung und eine offizielle Befragung über sich ergehen lassen, aber man wird Ihnen keinen Ärger machen. «
    » Darüber hatte ich mir auch keine Gedanken gemacht. «
    Ihr Blick glitt über Tallows Gesicht, als würde sie nach irgendetwas suchen. Doch sie fand es nicht, und so atmete sie enttäuscht aus und führte den Becher
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