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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
Autoren: Jan Guillou
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richtig.«
    »Aber wenn der Druck vom König kommt?«
    Der Außenminister blieb die Antwort schuldig. Er war viel zu verblüfft. Es war noch nie vorgekommen, daß der König einen Beschluß der Regierung so offen in Frage stellte. Formal war es auch nicht möglich. Aber wenn es ausgerechnet um den Zweiten Weltkrieg ging…
    »Ich glaube schon«, sagte der alte Mann mit dem Anflug eines Lächelns, »daß das norwegische Volk sehr großes Verständnis dafür hätte, wenn Sie in einem solchen Fall dem Druck des Königs nachgeben. Und wenn Sie wollen, können Sie meinen Wunsch auch schriftlich erhalten. Sie könnten ihn nach meinem Tod veröffentlichen oder sich damit wehren, falls Sie… in eine so kleine politische Bedrängnis geraten sollten.«
    »Euer Majestät, ich weiß offen gestanden nicht, wie ich mich in dieser Sache verhalten soll«, sagte der Außenminister zögernd, doch dann fehlten ihm die Worte.
    König Olav sagte eine ganze Zeit nichts mehr, da er ein Blatt Papier nahm, die Kappe seines Füllfederhalters abschraubte und von Hand fast eine ganze Seite schrieb, sehr langsam und sehr säuberlich. Dann unterzeichnete er mit Olav von Norwegen , suchte auf seinem Schreibtisch nach einem altmodischen Löscher und trocknete sorgfältig die Tinte. Dann erhob er sich schwer, weshalb sich auch der Außenminister erheben mußte, und überreichte das Papier, das er zuvor in der Mitte gefaltet hatte.
    »Ich hege die große Hoffnung, daß der Sicherheitsrat meine Wünsche genauso ernst nimmt wie Sie selbst, mein Außenminister«, sagte der König lächelnd und zeigte mit einer Geste, daß die Audienz beendet war.
    Es hatte genau eine Stunde gedauert. Die Uhr ließ gerade den Glockenklang von Big Ben ertönen, als der Außenminister benommen das Arbeitszimmer des Königs verließ.
    Sie wog 3426 Gramm. Es hatte acht Stunden gedauert, und Carl hatte sich noch nie so machtlos gefühlt wie angesichts von Eva-Britts Schmerzen und Tränen.
    Er hatte das Lachgas regeln dürfen, hatte versucht, ihr naßkalte Umschläge auf die Stirn zu pressen, hatte ihr die Hände gehalten, aber wie es ihm schien, hatte es nicht geholfen oder die Schmerzen gelindert. Es erfüllte ihn mit Schrecken und Scham, daß er selbst ihr all diesen Schmerz irgendwie zugefügt hatte. Es war vollkommen unbegreiflich, als alles vorbei war und sie ihr Kind in die Arme nahm und er selbst zum ersten Mal in Tränen ausbrach und neben ihr auf die Knie sank. Das Personal des Sophiahemmet lächelte, als käme ihnen das alles vollkommen normal und bekannt vor, was es vielleicht auch war, obwohl Carl dies als ein unmöglicher Gedanke vorkam. Es war ein Wunder, das nur Eva-Britt, ihm selbst und ihr, der Kleinen, widerfahren war. Sie waren jetzt also drei Personen.
    Die Kleine war rot im Gesicht und schrie. Er hatte geglaubt, Babygeschrei wäre laut und schrill, doch so war es nicht. Als er vorsichtig seinen kleinen Finger zu einer der unbegreiflich kleinen Hände ausstreckte, schnappte sie ihn blitzschnell und hielt ihn hart fest, als würde er sich nie wieder freimachen können. Es war ein schwindelerregendes Gefühl für ihn, die eigene Hand zu sehen, seine böse Hand, wie es ihm vorkam, mit den dicken Schwielen an der Handkante, das Ergebnis all des Bösen, das er sich fortlaufend antrainierte, und dann diese vollkommen neue und unschuldige gute Hand, die so klein war, daß sie nur seinen halben kleinen Finger bedeckte und ihn dennoch unwiderstehlich festhielt.
    »Da siehst du’s«, sagte Eva-Britt. Die Tränen strömten ihr übers Gesicht, aus dem der Schmerz wie durch ein Wunder, was es ja war, sich in Glück verwandelt hatte. »Da siehst du’s, es ist doch ein Mädchen geworden.«
    Er beugte sich vor und küßte sie beide. Die Kleine sehr, sehr vorsichtig. Ihm ging auf, daß er noch nie einen so glücklichen Menschen wie Eva-Britt in diesem Augenblick gesehen hatte.
    Er saß bei ihr in ihrem Zimmer hinter zugezogenen Gardinen, bis sie einschlief. Dann trat er zu ihr und betrachtete sie. Sie schlief mit halboffenem Mund auf dem Rücken. Das Lächeln war noch da. Er strich ihr behutsam über das Haar, in dem der Schweiß getrocknet war, und stahl sich auf leisen Sohlen hinaus. Das grelle Licht traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht.
    Es würde bald Mittsommer werden, die Zeit des Jahres, in der sie sich kennengelernt hatten. Er würde einer der ersten Nachrichtenoffiziere der Welt sein, die Vaterschaftsurlaub in Anspruch nahmen, und sie würden in den Schären
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