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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel
Autoren: Charles de Lint
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letzten Jahr schien Buddy beschlossen zu haben, seinen Müll nicht mehr wegzuwerfen und die Toilette im Obergeschoß nicht mehr zu benutzen, wenn er ein Bedürfnis verspürte. Die Küche enthielt mehr Müll als die städtische Deponie. Und alles war überlagert von einer dicken Schicht Schimmel und Scheiße. Und da gerade von Scheiße die Rede war - Buddy hatte sogar in der Ecke des Wohnzimmers dicke Haufen abgesetzt und sich den Arsch mit Fetzen vergilbten Zeitungspapiers abgewischt.
    War schon ein ausgemachter Irrer gewesen - daran gab’s keinen Zweifel. Kein Wunder, daß seine Frau die Kinder eingesammelt und Reißaus genommen hatte, ohne jemanden vorher ein Sterbenswörtchen davon zu verraten.
    Das alles ist jetzt schon neun, zehn Jahre her, dachte Lance, während er den geplatzten Reifen abnahm. Und noch länger, seit die Missus das Weite gesucht hat. Willie Fuller hatte später den Besitz von der Bank gekauft und versucht, ihn wieder herzurichten, konnte aber einfach den Gestank nicht aus der Bude kriegen. Er verkaufte das Anwesen deshalb an einen Vorstädter, der die Wände niederriß und wirklich Anstalten machte, den Besitz von Grund auf zu sanieren. Doch mitten in den Arbeiten gab er auf, und seitdem hatte sich niemand mehr für die Immobilie interessiert, wurde sie zum Ladenhüter in Franks Agentur. Und an dem Tag, an dem Frank das Ding verkaufen würde ...
    »Scheiße«, murmelte er, als er sich den Ersatzreifen näher ansah. Das Profil war so blank und glatt wie ein Kinderarsch. Trotzdem - der Pneu würde ihn nach Hause bringen. Er beeilte sich mit der Montage, warf die Felge, von der der Reifen in Fetzen herunterhing, auf die Ladefläche und ließ Wagenheber und Mutternschlüssel laut scheppernd folgen.
    »Dook!« Lance sah sich nach seinem Schäferhund um. »He, Dooker! Beweg sofort deinen Arsch hierher - aber ein bißchen plötzlich!«
    Er entdeckte den Hund drüben im Feld hinter dem Treasure-Besitz. Dooker hatte den Kopf gehoben, als lausche er auf irgendwas; den breiten Kopf leicht geneigt, spähte er in das Unterholz vor sich. Lance wollte ihn erneut rufen, aber dann hörte er es auch. Eine Art leises Pfeifen, schwach und langgezogen. Ein merkwürdiges Gefühl überkam ihn - heiß und geil, wie man wird, wenn das Wetter wärmer wird und der Frühling dir an die Eier greift, um dir zu sagen, jetzt sei wieder die Zeit, Kinder zu machen.
    Er ging ein paar Schritte in die Richtung, aus der das Geräusch kam - und begann plötzlich zu schwitzen. Sein Schwanz wurde hart und drückte gegen die Jeans. Lanark County wie der größte Teil von Ontario erlebte ein Februar-Tauwetter, das manchmal für ein paar Tage anhält und sich dann wieder mit hämischem Gelächter verabschiedet. Aber das konnte unmöglich der Grund für seine merkwürdigen Empfindungen sein. Sein Penis war inzwischen so hart, daß es schon schmerzte. Er fühlte einen starken Druck auf der Brust, und das Atmen fiel ihm schwer. Seine Ohren vibrierten von dem pfeifenden Geräusch, das - nicht laut, aber den ganzen Körper durchdringend - über die Felder zu ihm herüberwehte.
    Lance hatte das Gefühl, hier am Straßenrand jeden Moment abzuspritzen, direkt in die Unterhose. Doch ebenso plötzlich, wie es gekommen war, ließ ihn das Geräusch wieder los. Er taumelte zum Pick-up und lehnte sich mit weichen Knien dagegen.
    Jesus, dachte er. Das war sie also, meine erste Herzattacke.
    Er war immer noch erschöpft und mußte seine ganze Kraft aufwenden, um den Kopf zu heben und zu den Feldern hinüberzusehen. Er sah Dooker, der immer noch reglos lauschte und zu den Büschen hinüberstarrte, obwohl Lance dort nichts Ungewöhnliches bemerkte. Dann schüttelte sich der große Hund plötzlich, schaute sich um und kehrte in weiten Sätzen durch den Schnee zum Truck zurück. Als er seine feuchte Nase in die Hand seines Herrn stieß, konnte auch Lance wieder leichter atmen.
    Mußt unbedingt mal den Doc besuchen, sagte Lance zu sich selbst. Aufhören mit dem Herumfurzen. Wenn der Doc Diät vorschreibt, dann wird ab sofort gefastet. Jesus ...
    Er rief Dooker ins Führerhaus, hockte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Noch einmal ließ er nachdenklich den Blick über die Felder hinter dem Treasure-Anwesen wandern, legte den Gang ein und fuhr davon.

    Toronto, März 1985

    Die Musik war zeitgemäßer Europop, zu dem die Tänzerin ausschließlich den Unterleib kreisen und stoßen ließ. Der Conferencier hatte sie als Tandy Hots angekündigt:
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