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Grünmantel

Grünmantel

Titel: Grünmantel
Autoren: Charles de Lint
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gerufen. Ich habe mich zur Ruhe gesetzt vor - wie lange jetzt? Vor fünf Jahren. Und trotzdem klopfen sie bei mir an und fragen, ob ich dich gesehen habe. Fragen mich, ob ich mir etwas Geld verdienen möchte. Du weißt, wovon ich rede?«
    Valenti trat von der Tür weg und ging langsam auf das geräumige Wohnzimmer zu. Dort ließ er sich in einen Sessel sinken und betrachtete eingehend seinen Freund.
    Mario Papale war jetzt achtundfünfzig, sah aber für sein Alter noch gut aus. Er hatte - schon seit seinem dreißigsten Lebensjahr - silbergraues Haar, und seine dunkle Haut war noch dunkler geworden, als Valenti sie in Erinnerung hatte, gebräunt von der Mittelmeersonne. Er trug eine weiße Leinenhose und ein kurzärmliges Hemd, das nicht zugeknöpft war. An der Art, wie der Freund durchs Zimmer ging, erkannte Valenti, daß der alte Fuchs nichts verlernt hatte - im Ruhestand oder nicht. Vielleicht verlernte man nie etwas.
    »Sie haben dich gerufen?« fragte er. »So schnell?«
    »Was hast du erwartet, Tony?« Mario setzte sich in den Sessel ihm gegenüber. »Das ist ein cane grosso - ein hohes Tier, über das wir hier reden, nicht nur ein Soldat wie du oder ich.«
    »Ich habe ihn nicht umgelegt. Eddie - ja. Aber das war keine persönliche Sache. Ganz gleich, wie ich mich dabei gefühlt habe - ich hatte einen Auftrag.«
    »Wir sprechen hier von einem padrone , der tot ist, Tony. Deine Anweisungen sind einen Dreck wert, weil Magaddino tot ist und man dich dafür verantwortlich macht.«
    »Man hat mich reingelegt.«
    Für einen langen Augenblick sagte Mario nichts, sondern betrachtete Valentino nur nachdenklich. Dann nickte er langsam. »Chi lo sa?« meinte er schließlich. Wer weiß? »Aber ich glaube dir. Du hast mich noch nie anlügen können, Tony. Also, was wirst du jetzt tun? Brauchst du irgendwas? Brauchst du Geld? Ein Versteck?«
    Valenti schüttelte den Kopf. »Ich habe eins in Kanada -einen sicheren Ort. Sauber. Keiner weiß, wer ich bin.«
    »Zu nahe«, brummte Mario. »Diese bastardi werden deine Witterung aufnehmen wie Rüden den Geruch einer läufigen Hündin. Du mußt an einen Ort gehen, wo sie dich, wenn du sagst, du bist ein soldato , fragen, aus welcher Armee - und nicht aus welcher Familie, capito? «
    »Dieses Versteck habe ich mir schon vor Jahren ausgesucht, Mario - wie du es mir geraten hast. Erinnerst du dich noch? Selbst in der fratellanza braucht ein Mann einen Ort, wo er sich keine Sorgen um seine Angehörigen machen muß. Ich habe Geld dort - und Schießeisen.«
    »Sie werden nie aufhören, dich zu jagen.«
    Valenti zuckte die Schultern. »Ich hatte ohnehin keine große Lust mehr.«
    »Bullshit.«
    »Gut, dann ist es eben Bullshit. Du meinst also, ich sollte mich Ricca auf Gnade oder Ungnade ausliefern?« Ricca Magaddino war der älteste Sohn des Don und würde sein Imperium übernehmen.
    Mario lachte humorlos. »Heute nachmittag bleibst du bei mir. Am Abend fahre ich dich zur Küste und bringe dich von der Insel. Ich kenne ein paar Leute, die ein Boot besitzen. Brauchst du Papiere?«
    Valenti schüttelte den Kopf. »Diese Leute mit dem Boot ...«
    »Sie sind Freunde von mir - keine Vettern.«
    »In Ordnung. Grazie , Mario. Ich hätte dich nicht in diese Situation gebracht, wenn ich das alles vorher gewußt hätte.«
    »Glaubst du, ich wüßte das nicht? Aber vergessen wir jetzt mal diesen Mist. Come vai , eh? Ist schon ein paar Jährchen her. Erzähl mir von dir, Tony. Vielleicht sehen wir uns nie wieder, also nutzen wir die Zeit, die uns bleibt, okay?«

    Marios Frau war nur halb so alt wie er, eine zurückhaltende dunkelhaarige Frau, die nur maltesisch sprach. Mario hatte gegrinst, als er sie Valenti vorstellte. »Mario und Maria - wie gefällt dir das, eh?« Sie und die Kinder blieben bei der Schwester im nahegelegenen Marsaskala, während die beiden Männer Vorbereitungen trafen, die Villa zu verlassen.
    »Hier sind die Nächte sehr ruhig«, meinte Mario. »Und dunkel. Tu, was ich dir sage, und verlauf dich nicht, capito? «
    Er ging in sein Schlafzimmer, öffnete eine verschlossene Kommode und nahm zwei amerikanische Pistolen Kaliber .38 heraus. Valenti nahm eine an sich und nickte zum Dank, während er sich die Waffe in den Hosenbund steckte.
    »Ich hoffe, wir brauchen sie nicht«, meinte er, während sie die Halle durchquerten.
    Mario nickte. »Die Stoßdämpfer an meinem Wagen sind nicht besonders, und die Straße ist beschissen«, knurrte er. »Also paß auf die Familienjuwelen in
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