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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel
Autoren: Horst Biernath
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kleinen Schluck.« Viktoria ging zur Anrichte, um die Schwenker zu holen.
    »Denken Sie bitte daran, daß ich noch fahren muß.«
    Viktoria respektierte seinen Wunsch: »Ist es so recht?«
    »Danke, es ist reichlich genug.«
    Viktoria stellte die Flasche zurück: »Ich verstehe das wirk-licht nicht«, murmelte sie und lauschte auf den Korridor hinaus: »Einfach zu verschwinden ...«
    »Vielleicht hat Manuela Gregor einen Wink gegeben, sich auf sein Zimmer zurückzuziehen...«
    »Warum nur?«
    Guntram saß mit dem Rücken zu dem Foto auf Viktorias Schreibtisch, es war eine Erleichterung, aber er spürte Georg Mellins Augen noch immer lästig im Nacken.
    »Ich lud Manuela heute zum Essen ein. Ich suchte eine Gelegenheit, ihr zu erklären, wie ich zu ihr stehe.«
    »Haben Sie es geschafft? Und wie nahm Manuela es auf?«
    »Erstaunlich vernünftig. Ich hatte das Gefühl, sie hätte darauf gewartet.« Er sah ein wenig verdüstert aus. Viktoria hatte den Eindruck, Manuelas Schwenkung habe ihn empfindlich getroffen und in seiner Eitelkeit verletzt.
    »Tat es doch ein bißchen weh?« fragte sie leise.
    »Nicht im geringsten. Es war nur ein wenig komisch, als sie mich plötzlich »Väterchen« nannte.«
    Viktoria spielte nervös mit ihren Fingern, es sah aus, als balge sich jeder mit jedem, sie lösten sich und verstrickten sich wieder. Guntram erhob sich. Er hatte einige Mühe, aus dem tiefen Sessel auf die langen Beine zu kommen. Von Viktoria trennten ihn drei kleine Schritte. Er zögerte. Aber plötzlich überwand er die Hemmung und griff nach ihrer Hand.
    »Vielleicht finden Sie es nicht sehr geschmackvoll und auch nicht sehr mutig, daß ich zuerst Manuela gestanden habe, wie sehr ich Sie liebe, Viktoria. Ich war sehr unsicher. Und ich bin es noch immer. Aber Manuela meinte, ich könne es ruhig wagen, Sie zu fragen, ob Sie meine Frau werden wollen.«
    Die Hand, die sie ihm noch immer überließ, lag kraftlos zwischen seinen Fingern.
    »Sie brauchen mir nicht sofort zu antworten, Viktoria«, sagte er bestürzt, denn er sah, daß ihre Schultern zu zucken begannen. Lieber Gott, was hatte er da angerichtet...
    »Verzeihen Sie«, murmelte er, »ich wollte Sie wahrhaftig nicht kränken, aber als Sie mir sagten, Sie sähen in mir einen guten Freund, da bildete ich mir leider ein, ich könnte Ihnen noch ein wenig mehr bedeuten...«
    Er wollte ihre Hand in ihren Schoß zurückgleiten lassen, aber plötzlich spürte er einen Druck, der ihn festhielt.
    »Bleib«, sagte sie fast unhörbar und zog seinen Kopf zu ihren Lippen nieder, »es sind glückliche Tränen...« Sie fühlte sich jung. Das Leben, das sie vor acht Jahren beendet zu haben glaubte, stand wieder vor ihr.
    Ein Geräusch an der Tür veranlaßte Guntram, den Kopf zu wenden. Manuela winkte ihm zu.
    »Ich will euch keinesfalls stören«, sagte sie munter.
    »Mach, daß du verschwindest«, sagte Guntram lachend und zog Viktoria fest an die Brust.
    Manuela versank in einem graziösen Hofknicks, und mit einem knallenden Kuß in die Luft reckte sie sich empor — Sesemi Weichbrodt aus den Buddenbrooks — und sagte, der Rolle bis zum Schluß getreu: »Werdet glöcklich, ihr guten Kinder!«

25

    Der Regen hatte das Laub blank gewaschen, aber die angenehme Kühle der Morgenstunden wich bald dem normalen Klima der in den Kessel gebetteten Stadt, einer feuchtigkeitsgesättigten Treibhausluft, die den Atem beengte und den Körper erschlaffen ließ. Um halb elf holte Guntram, der sich seit dem frühen Morgen auf dem Neubau aufgehalten hatte, Dr. Strachwitz im alten Verlagsgebäude ab. Am liebsten wäre er noch einmal in sein Hotel gefahren, um die Wäsche zu wechseln, denn er hatte das Gefühl, am ganzen Körper mit Leim bestrichen zu sein, genau wie Strachwitz, dem seine zwei Zentner Gewicht schwer zusetzten und der fluchend schwor — aber das tat er seit zehn Jahren — sich demnächst um einen Posten in einem vernünftigen Klima umzusehen, denn hier müsse man mit Fünfzig am Herzinfarkt draufgehen.
    Guntram fand einen Parkplatz in der Nähe des Fotohauses, vor einem Konfektionsgeschäft mit einer langen Schaufensterfront und einer Passage, aus der ihm Klaus Adami grüßend zuwinkte. Die jungen Leute hatten ihre Posten bereits bezogen. Gerd Schickedanz auf der anderen Straßenseite vor dem Schaufenster eines Juwelierladens. Wahrscheinlich war auch bereits Manfred Zöllner mit seinem Modell aus dem Jahre 1934 bei Zmorski vorgefahren, um im Schrott nach einem brauchbaren
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