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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel
Autoren: Horst Biernath
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Geschäft habt. Ohne Herrn Freytag hätte ich den Laden vor acht Jahren dichtmachen können. Und ich frage mich, wie es weitergehen soll, wenn er uns eines Tages tatsächlich im Stich läßt.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Er könnte schließlich eines Tages die Absicht haben, sich selbständig zu machen. Er ist über vierzig Jahre alt, und ich könnte mir vorstellen, daß er wenig Lust dazu verspürt, ewig Angestellter zu bleiben. Bei seiner Tüchtigkeit...«
    »Hat er dir etwas Derartiges angedeutet?«
    Viktoria zögerte mit der Antwort. Und im gleichen Augenblick ertönte unten endlich das Signal, auf das Manuela wartete. Das Horn klang voller als sonst. Der Unterschied fiel auch Viktoria auf. Manuela stürzte zum Fenster, und auch Viktoria erhob sich und klappte den Leitzordner zu.
    »Vergiß nicht, einen Schal mitzunehmen. Ihr werdet auf der Terrasse tanzen, und die Nächte sind oben ziemlich kühl.«
    Manuela schob den Store zur Seite: »Es ist tatsächlich Jürgen. Aber in einem tollen Cabrio. Ich möchte bloß wissen, wo er den Wagen aufgegabelt hat.« Sie griff nach ihrem Handtäschchen und warf, während sie ihrer Mutter einen wegen des Lippenstiftes vorsichtigen Abschiedskuß auf die Wange hauchte, einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel.
    »Ich weiß nicht«, murmelte sie mit einem vergleichenden Blick auf Viktorias üppigere Formen, »ich kann anziehen, was ich will, die Klamotten hängen einfach an mir herum. Neben dir in deinem ollen Schottenrock komme ich mir wie eine Vogelscheuche vor. Ob ich es nicht doch einmal mit einem Hormonpräparat versuchen sollte?«
    »Red keinen Unsinn«, rief ihre Mutter halb belustigt und halb besorgt, denn Manuelas Eitelkeit war alles zuzutrauen, »das kommt ganz von selbst, und hoffentlich nicht mehr, als dir lieb sein wird. Aber nun lauf schon, damit Herr Barwasser nicht ungeduldig wird. Eigentlich hätte es sich ja gehört, daß er mir wenigstens guten Abend gesagt hätte.«
    »Mit Blümchen?«
    »Auch ohne Blümchen! Ich hätte ihm nämlich gern erzählt, daß er auf die Hausbewohner ein wenig mehr Rücksicht nehmen und nicht mehr hupen und sich mit dir auch nicht allzulange in der Haustür herumknutschen soll!«
    »Ich werde es ihm ausrichten.«
    »Du bekämst es glatt fertig...«, seufzte Viktoria.
    »Ciao, Vicky, und werde nicht nervös, wenn es ein wenig spät werden sollte.«
    »Und fahrt vorsichtig, hörst du?!«
    »Lieber Gott, jaaaa!«
    Viktoria gab ihrer hübschen Tochter einen zärtlichen Klaps und schloß die Haustür hinter ihr zu, dann ging sie durch den großen, mit Polstermöbeln ausgestatteten Wohnraum und trat durch die offene Balkontür ins Freie hinaus. Unten grüßte der junge Barwasser — er hatte vor einem halben Jahr seinen Diplomvolkswirt gemacht und arbeitete seither im Betrieb seines Vaters — aus einem cremefarbenen Cabrio mit roten Ledersitzen hinauf, als bedanke er sich bei Viktoria dafür, daß sie eine so reizende Tochter wie Manuela in die Welt gesetzt habe. Und er zog den Wagen, kaum, daß Manuela darin Platz genommen hatte, in einem atemberaubenden Tempo um die Kurve.
    »Dieser Narr«, dachte Viktoria und preßte die Fingerspitzen sekundenlang gegen ihr Herz, »wenn er sich durchaus das Genick brechen will, dann soll er das gefälligst allein besorgen!«
    Sie drehte sich um und stand ihrem Sohn Gregor gegenüber, der von der Tür aus über das Balkongeländer nach unten spähte.
    »Ein richtiger Angeber, dieser Barwasser«, knurrte er, »ich möchte bloß wissen, was Manuela an diesem pickeligen Idioten findet.«
    »Überlaß das gefälligst Manuela und zieh ein anderes Hemd an! Ich werde dieses ausgefranste Ding ins Feuer werfen.«
    »Das verstehst du nicht, Vicky. Ein Buschhemd muß wie ein Buschhemd aussehen. Es ist kein Frackhemd. Ich habe Monate gebraucht, um es hinzukriegen. Also gib schon Ruh'.«
    Es gab jedesmal einen Kampf, wenn Viktoria an Feiertagen darauf bestand, daß er sich manierlich anzog und eine Krawatte umband. Seine Blue jeans waren völlig ausgebleicht und ließen die Knie durchschimmern, und das Hemd sah wahrhaftig so aus, als sei es noch nie gebügelt worden. Was Manuela an Eitelkeit zuviel hatte, hatte Gregor zuwenig.
    »Übrigens, Vicky, ich lasse dich jetzt auch allein. Wir gehen ins Kino, Werner, Walter und ich. Eddie Constantine...«, er schlug ein paar Kinnhaken in die Luft, »na, du weißt schon, rote Lippen, blaue Bohnen und so... Und dann wollen wir mit Walter noch 'ne Stunde Mathe ochsen.
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