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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel
Autoren: Horst Biernath
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kannten sich seit etwa zwei Jahren, aber wenn Viktoria sie vorsichtig anzapfte, wie es um ihre Beziehungen zu dem jungen Mann bestellt sei, tat sie die forschenden und vielleicht auch ein wenig ängstlichen Fragen mit einer lässigen Handbewegung ab und meinte kühl, »von wegen Liebe und so stände nichts drin...«
    »Und dann läßt du dich von ihm küssen?«
    »Na und? Hast du dich nie von einem netten Jungen küssen lassen, Vicky? Na also!«
    Zufällig hatte Viktoria keine Gelegenheit gehabt, sich von netten Jungen küssen zu lassen, denn schließlich war Georg Mellin sehr früh aufgetreten, aber sie sah ein, daß diese Möglichkeit durchaus bestanden hätte, wenn Georg auf ihrer Bühne ein paar Jahre später erschienen wäre.
    »Du wirst ihn kennenlernen«, knurrte Jürgen, »er spielt doch den Anstandswauwau, weil meine alten Herrschaften für ein paar Tage verreist sind. Bayreuth und so. Mama kann doch von Wagner nicht lassen...«
    »Es ist wahrhaftig unmöglich, diese verkalkte Generation für was Höheres zu erwärmen«, nickte Klaus Adami bekümmert. Er stand im siebenten Jurasemester und bereitete sich auf seinen Referendar vor, den er mit Hilfe eines guten Repetitors zu schaffen hoffte. »Mein Alter behauptet ungeniert und ohne zu erröten, Louis Armstrong schlüge ihm aufs Gedärm. Habt ihr zu so was Worte?«
    »Nee, aber habt ihr vielleicht eine Idee, wo man noch einen knusprigen Pullover auftreiben könnte, damit Onkel Herbert den Abend über nicht ganz ohne Beschäftigung ist?«
    »Zu spät, mein armes Schweinchen«, kicherte Manuela und schlug die langen schlanken Beine kokett übereinander, »daran hättest du früher denken müssen. Aber laß nur, Barwasser junior, wir sind vier Mädchen auf deinem Galaabend, und wir werden uns schon in Onkel Herbert teilen, falls er hält, was du versprichst.«
    Der junge Mann machte ein Gesicht, als hätte er mitsamt dem Apfel einen Wurm verschluckt. Das Haus seiner Eltern — er war in ihrer Wahl vorsichtig gewesen, denn sein Papa besaß eine Zementfabrik — lag auf dem Schafberg hoch über dem Kessel, dessen Boden die Stadt ausfüllte. Ihre Lichter verhüllte ein graubrauner Dunstschleier. Unter dem apfelgrün verfärbten Himmel zogen sich die Hügelketten schwarz und gestochen scharf in ihren Konturen über den Horizont hin, mit Lichterketten besteckt, als bewegten sich festliche Züge hügelan. Neben dem roten Warnlicht des hohen Funkmastes flackerte in strahlendem Glanz, so niedrig über dem bewaldeten Hügelkamm, daß man ihn für ein Signalfeuer halten könnte, der Abendstern.
    »Das können's«, knurrte Klaus Adami und schleuderte den Daumen in Richtung der Venus, »aber uns studieren lassen...!« Es war der alte Irrenwitz, aber er verfehlte seine Wirkung.
    »Halt die Klappe«, befahl Manuela, »du sägst mir am Nerv...«
    »Oh — trägt man wieder Gemüt?« fragte der junge Mann verbindlich. Aber auch seine Freundin zeigte ihm die Zunge.
    Vor der Garage stand schon das Vehikel von Manfred Zöllner. Sein Vater hatte ihm zum bestandenen Physikum dreihundert Mark geschenkt. Und dafür hatte Manfred seinen Wagen erstanden, einen DKW vom Baujahr 1934, dessen zerfallende Sperrholzkarosserie abenteuerlich bemalt und tapeziert war. Zöllner behauptete, und wer den Wagen sah, glaubte es ihm aufs Wort, daß nur die Farbe seinen >Jaguar< zusammenhielte.
    Manfred Zöllner, Gerd Schickedanz und die Damen Nora Vollmer und Hiltrud Seinsheim kamen ihnen mit Hallo auf der Terrasse entgegen. »Du, Jürgen, deinen Onkel pumpst du mir aus, wenn bei mir die nächste Fete steigt!« rief Gerd Schickedanz, »der Mann hat die Damen mit einem Cocktail und uns Herren mit einem Martini begrüßt, einfach klassisch!«
    »Hast du schon einmal eine White Lady getrunken, Manuela?« fragte Nora Vollmer, »ich sage dir, das könnte meine Leidenschaft werden. Mild wie eine Erfrischungsbrause, aber da steckt ein Paukenschlag drin.«
    »Jetzt bin ich auf Onkel Herbert aber wirklich neugierig«, flüsterte Manuela Jürgen Barwasser zu. »Ich meine fast, Onkel Herbert serviert euch alle mit der linken Hand ab und macht mit uns Mädchen seinen eigenen Zirkus auf, wie?«
    Der junge Mann antwortete mit einem Knurrlaut.
    Manuela kannte das Haus bereits von früheren Parties her. Jetzt besann sie sich darauf, daß Jürgen ihr einmal erzählt hatte, es sei nach den Entwürfen eines Onkels von ihm erbaut worden. Unter dem flachen Walmdach lagen alle Räume zu ebener Erde. Von der Terrasse aus trat
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