Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
sprechen.
    »Sind Sie auch im Fotogeschäft tätig, Fräulein Mellin?«
    »Zum Kummer meiner Mutter habe ich leider nicht das geringste Interesse daran. Ich lerne Sprachen, Englisch, Französisch und Italienisch. Und ich möchte im nächsten Jahr eine Dolmetscherschule besuchen...«
    »Zu einem bestimmten Zweck?«
    »Eigentlich nicht, aber ich meine, mit drei Fremdsprachen läßt sich schon etwas anfangen...«
    »Sicherlich, sogar eine ganze Menge. Aber ich will Sie jetzt nicht länger auf halten.«
    »Sie halten mich nicht auf, Herr Guntram«, sagte sie leise und schloß die Augen. Ihre langen dunklen Wimpern warfen zärtliche Schatten auf die Wangenbögen, und sie legte die Hand leicht auf Guntrams Arm. Guntram sah, daß sein Neffe Jürgen den Plattenspieler bediente und dabei mit deutlichen Zeichen nervöser Ungeduld zu Manuela hinüberschielte. Er nahm Manuela das noch halb gefüllte Glas ab und stellte es hinter sich auf den Serviertisch.
    »Wollen Sie nicht tanzen, Fräulein Mellin? Jürgen wartet auf Sie...«
    »Das hat er schon öfters getan«, sagte sie leichthin, »es braucht Sie nicht zu beunruhigen.«
    »So?« fragte er amüsiert und nahm ihren Arm. Seine Finger umschlossen ihr Handgelenk mit sanftem Druck, während er ihren Arm in seinen hängte und sie trotz ihres leichten Widerstrebens quer durch den Raum führte: »Vergessen Sie nicht, daß Jürgen diese Party arrangiert hat, und ich meine, er hat es nicht zuletzt Ihretwegen getan.«
    Jazzmusik füllte den Raum, weiche Saxophone, gestopfte Trompeten, und darüber eine heiser grunzende Stimme, die sich zu ekstatischem Röhren steigerte und auf die drei tanzenden Paare die Wirkung einer Peitsche zu haben schien.
    »Ich dachte schon, du hättest eine Eroberung gemacht, Onkel Herbert«, sagte Jürgen Barwasser ein wenig schief.
    »Hast du es gedacht oder befürchtet?« fragte Manuela mit glitzernden Augen.
    Herr Guntram hüstelte, wandte sich an seinen Neffen: Die scharfen Sachen seien unter Verschluß, aber der Bowlensatz stände in der Küche, und zwei Flaschen Sekt lägen auf Eis.
    »Heißen Dank, Onkel Herbert, ich weiß, daß man sich auf dich verlassen kann. Und wenn du hier bei uns mitmachen willst...Du hast selbstverständlich grünes Licht!« Die Einladung war höflich, aber durchaus nicht dringend.
    »Danke, Jürgen, aber ich habe ein Dutzend Briefe zu schreiben. Ich darf doch deine Maschine benutzen?«
    »Selbstverständlich, Onkel Herbert.«
    »Ich habe deinen Eltern übrigens feierlich versprochen, hier bis zum Schluß durchzuhalten...«
    Jürgen kniff das linke Auge zu: »Schwur ist Schwur, aber wenn du durchaus früher in dein Hotel willst — wir liefern die Mädchen pünktlich daheim ab.«
    »Sie wohnen im Hotel, Herr Guntram?« fragte Manuela.
    »Ja, im >Reichsadler<«, antwortete Jürgen. »Onkel Herbert liebt die Freiheit noch mehr als die Familie.«
    »Wie wollt ihr die jungen Damen heimbringen, Jürgen? Dein Wagen ist in der Reparatur, und das Vehikel, das draußen steht...«
    »In Manfreds Jaguar gehen zehn Personen 'rein.«
    »Das kommt überhaupt nicht in Frage! Du wirst den jungen Damen ein Taxi bestellen. Das ist mein letztes Wort.«
    »Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag, Herr Guntram«, sagte Manuela in der kurzen Pause, in der der Hebel eine neue Platte auf den Teller legte. Sie horchte sekundenlang auf den Rhythmus des neuen Tanzes — es war ein Cha-Cha-Cha — und schmiegte sich bereits in Jürgens Arm: »Sie schreiben Ihre Briefe, und dann kommen Sie noch für eine Weile zu uns. Und dann nehmen Sie mich und Helma in die Stadt mit, wenn Sie in Ihr Hotel fahren. Ich habe meiner Mutter fest versprochen, spätestens um zwölf daheim zu sein.«
    »Davon hast du bis jetzt kein Wort gesagt«, murrte Jürgen.
    »Es ergab sich bisher keine Gelegenheit«, sagte sie achselzuckend.
    »Also schön. Wärst du dann so nett, Onkel Herbert?«
    »Ja, gewiß...«, nickte Herr Guntram. Es klang ein wenig zögernd, aber er stand plötzlich allein, Manuela hatte Jürgen Barwasser herumgeschwenkt und ließ sich von ihm zwischen den anderen Paaren in einem Drehschritt herumwirbeln. Sie schaute sich dabei mit keinem Blick nach Herrn Guntram um.
    Er sah für einen Augenblick ein wenig verdüstert aus, als beschliche ihn eine Ahnung unheilvoller Komplikationen, und er hielt auf dem Wege zu Jürgens Zimmer an der Hausbar an, um sich einen kleinen Cognac zu genehmigen. Aus dem Halbdunkel beobachtete er die tanzenden Paare. Die jungen Männer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher