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Grün wie ein Augustapfel

Grün wie ein Augustapfel

Titel: Grün wie ein Augustapfel
Autoren: Horst Biernath
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Ersatzteil zu suchen. Klaus Adami übernahm es, einen Burschen aufzutreiben, der den Botendienst übernehmen sollte. Es dauerte keine drei Minuten, daß er einen Schlosserlehrling entdeckte, der unterwegs war, um für seinen Meister und Gesellen das Frühstück einzukaufen. Für eine Mark hätte er noch ganz andere Sachen gemacht, als einen Brief abzugeben. Das Fotohaus lag ohnehin auf dem Wege zu der Metzgerei, auf deren Würste sein Chef eingeschworen war.
    Freytag verkaufte einem Kunden gerade einen Belichtungsmesser, als der Lehrling in seiner blauen Schlossermontur den Laden betrat. Der Briefumschlag war in seinen feuchten und schmutzigen Bubenhänden inzwischen nicht ansehnlicher geworden. Er wandte sich an den nächsten Verkäufer, Herrn Wohlers, daß er für Herrn Freytag einen Brief abzugeben habe. Herr Wohlers deutete auf Freytag hin.
    Freytag wurde aufmerksam: »Was gibt's?« fragte er und bat den Kunden für einen Augenblick um Entschuldigung.
    »Ein Brief für Sie«, sagte Wohlers grinsend, »sieht ganz nach 'nem Liebesbrief aus. Haben Sie sich 'ne Dame aus der Eisenbranche angelacht?«
    »Reden Sie keinen Stuß«, zischte Freytag ihn an. Er nahm dem Jungen den Brief mit spitzen Fingern ab. »Von wem?« fragte er kurz angebunden.
    »Keinen Schimmer«, sagte der Junge, »ich soll Ihnen den Brief abgeben, das ist alles.« Er drückte Freytag den schmuddeligen Umschlag in die Hand und lief aus dem Laden. Freytag starrte auf den Umschlag und schüttelte den Kopf. »Verstehe ich nicht«, murmelte er und schob den Brief in die Tasche seines Laborkittels. Er ging zu seinem Kunden zurück, verkaufte den Belichtungsmesser, bonierte an der Kasse und verschwand, nachdem er den Kunden noch bis zur Tür begleitet hatte, in seinem Büro. Dort schlitzte er den Umschlag mit den Fingern auf, riß den Zettel heraus und starrte auf die sechs Worte, die er enthielt.
    Zmorski... Dieser verdammte Idiot! Jetzt hatte er mit seinen gottverdammten Wuchergeschäften den Kopf in die Schlinge gebracht! Er hätte es voraussehen können, daß der halsabschneiderische Zins diesem Gauner eines Tages das Genick brechen mußte.
    Er riß den Laborkittel herunter, warf ihn über einen Drehsessel und stopfte den Zettel in die Jackentasche. Den Umschlag zerriß er in winzige Schnitzel und fegte sie in den Papierkorb. Und er starrte auf seine Finger, als hätte er sich besudelt. Zum Waschbecken. Das Wasser strömte lau über seine Hände. Er drehte den Hahn voll auf und griff zu Seife und Bürste, einem Ritual, am Tage hundertmal wiederholt. Er wusch sich die Hände mit wütendem Eifer, als könne ihn die Waschung auch von der Furcht befreien, deren Krallen er im Nacken spürte. Gestern war ihm das Glück endlich einmal wieder hold gewesen. Er spürte, daß er aus der Pechsträhne der letzten Wochen herauskam. 2800 Mark hatte er in der Brieftasche! Und ausgerechnet in diesem Moment machte Zmorski ihm den Strich durch die Rechnung! Wenn die Polizei die Apparate in seinem Panzerschrank entdeckte, würde Zmorski auch nicht eine Sekunde zögern, zu erzählen, woher sie kamen. Der nächste Zug war die Benachrichtigung Viktoria Mellins durch die Polizei.
    Er sah sein Gesicht im Spiegel und fletschte gewohnheitsmäßig die Zähne. Er spürte ein leichtes Ziehen im rechten oberen Schneidezahn, ohne daß er die Spur einer beginnenden Karies entdecken konnte. Der Arzt meinte, es sei rheumatisch. Es war eine blöde Angewohnheit, ein Merkmal für seinen Steckbrief: fletscht vor jedem Spiegel die Zähne... Seine Stirn bedeckte sich mit Schweißperlen. Er tauchte einen Zipfel des Handtuchs ins Wasser und rieb sich das Gesicht ab. Was nun? Zu Zmorski... Es gab keine andere Möglichkeit. Aber plötzlich starrte er sein Spiegelbild an und grinste.
    Natürlich gab es noch eine Chance! Eine großartige Chance! Man mußte sich die Sache nur durch den Kopf gehen lassen. Wenn Zmorski die Polizei fürchtete und die Apparate loswerden wollte, wem konnte er sie schon übergeben — wenn nicht ihm selber? Er schuldete Zmorski rund 6000 Mark. Er war bereit, ihm 2000 zu geben. 2000 und keinen Pfennig mehr! In seinem Geschäft mußte Zmorski schließlich mit gelegentlichen Verlusten rechnen. Und wenn er an die Wucherzinsen dachte, die er diesem Gauner im Laufe der Jahre gezahlt hatte, so verlor der Kerl so gut wie nichts an ihm.
    Er zog die Brieftasche, öffnete das mit einer Lasche verschlossene Großfach und zog ein Bündel Geldscheine heraus. Fast 3000 Mark. Er suchte
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