Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)

Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Grün wie die Hoffnung: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
hierher gekommen waren, um zu beten oder zu rasten, hatten Bänder und Amulette an den Zweigen befestigt. Hoyt band sein Pferd an, dann kniete er sich hin, ergriff die kleine Schöpfkelle, die neben dem Brunnen lag, und trank von dem kühlen Wasser. Er vergoss ein paar Tropfen auf den Boden für die Götter und murmelte seinen Dank. Dann legte er einen Kupferpfennig auf den Stein, wobei er ihn mit dem Blut aus seiner Wunde beschmierte.
    Seine Beine gaben nach, aber da die Dämmerung bereits einsetzte, zwang er sich zur Konzentration und begann seinen Kreis zu ziehen. Es war ein einfacher, ganz zu Beginn bereits erlernter Zauber, aber da seine Macht jetzt nur noch schubweise verfügbar war, stellte es eine elende Aufgabe dar. Der Schweiß rann ihm in Strömen über das Gesicht, und der Kampf um die richtigen Worte und Gedanken erschien wie ein Kampf mit schlüpfrigen Aalen in der Hand.
    Er hörte jemanden durch den Wald schleichen, sich jedoch noch im Schatten haltend. Aber es wurde jetzt rasch dunkler, und nur noch die letzten Sonnenstrahlen drangen durch das Laub der Bäume.
    Sie waren hinter ihm her, warteten nur noch darauf, bis das letzte Licht erloschen war. Er würde hier sterben, allein, und seine Familie blieb ungeschützt zurück. Und alles nur aus einer Laune der Götter heraus.
    »Ich will verdammt sein, wenn ich das zulasse!« Entschlossen richtete er sich auf. Eine Chance hatte er noch. Eine einzige. Er riss sich den Verband von der Hand und versiegelte den Kreis mit seinem eigenen Blut.
    »Innerhalb dieses Kreises bleibe das Licht. Es brenne die ganze Nacht hindurch nach meinem Willen. Dieser Zauber ist rein, und nur Reines kann hier eindringen. Feuer, lodere auf und brenne mit hellem Schein.«
    In der Mitte seines Kreises züngelten Flammen auf, noch schwach zunächst, aber stärker schließlich, als die Sonne untergegangen war. Und was sich im Schatten versteckt hatte, sprang auf ihn zu. Es kam als Wolf, mit schwarzem Fell und blutroten Augen. Als es zum Sprung ansetzte, packte Hoyt seinen Dolch fester, aber das Tier prallte gegen den Schutzkreis und wurde zurückgeschleudert.
    Heulend und knurrend zog es die Lefzen hoch. Die Reißzähne schimmerten weiß, als es auf und ab lief, als suchte es eine Schwachstelle in dem Schutzschild.
    Ein weiteres Tier gesellte sich zu ihm, schlich aus den Bäumen heran, dann noch eines und noch eines, bis Hoyt sechs zählte. Sie umgaben ihn wie eine Armee.
    Jedes Mal, wenn sie zum Sprung ansetzten, bäumte sich sein Pferd auf und wieherte. Er trat darauf zu, ohne die Wölfe aus den Augen zu lassen, und legte ihm die Hände auf. Behutsam beruhigte er seine treue Stute und versetzte sie in Trance. Dann zog er sein Schwert und stieß es in die Erde neben das Feuer.
    Er entnahm der Satteltasche seine letzten Vorräte und gab Kräuter in das Wasser aus dem Brunnen – obwohl es mit seinen Heilkünsten wirklich nicht weit her war. Dann hockte er sich neben das Feuer, das Schwert auf einer Seite, den Dolch auf der anderen und den Stab quer über den Beinen.
    Fröstelnd zog er seinen Umhang enger um sich, beträufelte einen Haferkuchen mit Honig und würgte ihn hinunter. Die Wölfe saßen um den Kreis herum und heulten den Mond an.
    »Ihr habt wohl Hunger, was?«, murmelte er mit klappernden Zähnen. »Hier gibt es nichts für euch. Oh, ich würde alles geben für ein Bett und eine anständige Tasse Tee.« Nach einer Weile fielen ihm die Augen zu. Als sein Kinn auf die Brust sank, kam er sich so einsam vor wie noch nie in seinem Leben.
    Er träumte, dass Morrigan ihn aufsuchte, denn sie war wunderschön, und ihr Haar leuchtete wie das Feuer. Es fiel ihr gerade bis auf die Schultern. Sie trug ein seltsames, schwarzes Gewand, das ihre Arme in unzüchtiger Weise unbedeckt ließ. Man konnte sogar die Rundung ihrer Brüste sehen. Um den Hals trug sie ein Pentagramm mit einem Mondstein in der Mitte.
    »Das hilft nicht«, sagte sie mit einer Stimme, die fremd und ungeduldig klang. Sie kniete sich neben ihn und legte ihm die Hand auf die Stirn. Ihre Berührung war kühl und beruhigend wie der Regen im Frühjahr. Sie roch nach Wald, erdig und geheimnisvoll.
    Einen wahnsinnigen Moment lang sehnte er sich danach, einfach seinen Kopf auf ihre Brust sinken zu lassen und umhüllt von diesem Duft einzuschlafen.
    »Du hast Fieber. Lass mal sehen, was du hier hast, damit es dir wieder besser geht.«
    Einen Moment lang verschwamm sie ihm vor den Augen, aber dann wurde ihr Bild wieder klar.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher