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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P
Autoren: Wein des KGB
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internationalen Haftbefehl gibt, und sorgen Sie für den sicheren Grenzübertritt.«
    Grivot stöhnte. »Sie sind schlimmer als Ihr Mann.«
    »Das sind Frauen oft, wenn sie wissen, was sie wollen. Einen Fluchtwagen, Deckung, einen sicheren Weg, und wir beide werden zusammen auf der anderen Seite warten.«
    »Wer bezahlt das?«
    »Sie verfügen sicher über einen Reptilienfonds für derartige Aktionen. Wer weiß, was Martin Ihnen erzählen kann.«
    »Der Typ ist er nicht, er sagt uns nichts.«
    »Sie wissen bereits einiges.«
    »Man wird nichts und niemanden finden, die Russen werden ihr Quartier verlegen, Tag und Nacht arbeiten, umalle Spuren zu beseitigen. Es wimmelt in diesem Land von Doppelagenten, falschen Informanten . . .«
    »Darum geht es nicht. Auch die Amerikaner werden ihn jagen. Sie reden sich raus, Charles. Ich will ihn wiederhaben. Auf offiziellem oder inoffiziellem Weg.«
    »Und welche zeitlichen Wünsche hat Madame?«
    »Morgen Nacht . . .«
    »Sie sind wahnsinnig, Sie sind völlig wahnsinnig . . .«
    »Ja, das bin ich. Sein Versteck kann jede Minute auffliegen. Wir haben es nicht mit Dummköpfen zu tun, und schon gar nicht mit Anfängern.«
    »Hat er seinen Pass noch?«
    »Das weiß ich nicht, aber ich glaube, es wäre besser, wenn er ihn nicht vorzeigen würde.«
    »Warten Sie eine halbe Stunde, ich melde mich.« Grivot hängte ein.
     
    Jacques strich sich zum wiederholten Mal seine graue Lockenpracht aus dem Gesicht. Das tat er immer, wenn er besonders nervös war. Alle waren nervös. »Was sagt er? Wird er es machen?«
    Charlotte nickte. »Es bleibt ihm nichts anderes übrig. Das weiß er, und er weiß, dass ich nicht bluffe.« Sie wandte sich an Constantinescu: »Für wie sicher halten Sie Martins Versteck?«
    »Für nicht sehr sicher. Ich weiß nicht, wer ihn gesehen hat. Wenn in unserer Straße ein Taxi vorfährt, dann ist das eine Sensation, das spricht sich rum. Andere zu denunzieren war an der Tagesordnung, da gab es keine Skrupel, das war Dienst am Volk, am Sozialismus, wie in Deutschland. Wenn drei Rumänen zusammen waren, gehörte einer davon zur Securitate.«
    »Und heute«, fragte Jacques, »wie ist es heute?«
    »Die alten Verbindungen der damaligen Opposition haben sich gelockert. Der Zusammenhalt der Fluchthelfer existiertnicht mehr, viele sind gestorben, sind alt oder ausgewandert. Es hat den Zusammenhalt gefördert, gemeinsam etwas gegen Ceauşescu zu unternehmen, das war die Verbindung. Heute zählt nur noch Geld, es wirkt wie Sprengstoff, es sprengt die Freundschaften und Familien. Jeder ist sich selbst der Nächste. Nur der eigene Vorteil ist wichtig. Von den echten Freundschaften sind kaum welche übrig, so wie die mit Jürgen Werner, er ist ein alter Mann. Seine Kinder? Die sind alle weg, sie leben in Deutschland, aber sie schicken ihm wenigstens Geld.«
     
    Grivot meldete sich nach anderthalb Stunden. »Richten Sie ihm aus, Charlotte, dass er seinen Verfolgern Arbeit machen soll, er muss sie beschäftigen und Spuren hinterlassen, die ins Leere führen, aber deren Auswertung Zeit kostet. Er soll sich nach Bussen erkundigen, aber keinesfalls in Baia Mare, er muss in Reisebüros nach Zügen und Flugverbindungen nach Deutschland fragen, er muss sich sehen lassen und dann wieder untertauchen. Das ist ein Risiko, aber dadurch lenken wir die Aufmerksamkeit in eine Richtung und vermeiden den Eindruck, er könnte Helfer im Land haben. Und während man ihn sucht, nutzen wir die Zeit. Es ist bereits jemand zu ihm unterwegs. Wenn Sie morgen Mittag in Paris sind – wir treffen uns am Flughafen Charles de Gaulle . . .« Grivot nannte die Uhrzeit. »Wir sind am frühen Abend in Budapest und nachts an der Grenze. Schärfen Sie Martin ein, dass er nicht wie beim letzten Mal auf eigene Faust handelt. Er muss, das wiederhole ich, er muss unseren Anweisungen unbedingt folgen, sonst kann ich nichts für ihn tun.«

28
    »Zehn Minuten noch«, sagte Grivot in das Schweigen der endlosen Nacht hinein, »in zehn Minuten sind wir am Treffpunkt. Das wäre kein Beruf für Sie, nicht wahr, Madame Bongers?«
    Die letzten beiden Stunden der Autofahrt von Budapest bis an die rumänische Grenze hatte Charlotte in einer Art Dämmerzustand verbracht. Sie hatte versucht, sich wach zu halten, war aber immer wieder eingenickt. In dem Moment, als sie im Fond des Wagens zur Seite fiel, war sie im Traum gestürzt, sie war aus dem Jeep, mit dem sie in der Wüste des Tschad unterwegs gewesen war, herausgefallen,
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