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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)
Autoren: Bernd Frenz
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zurückgelassen hatte. Auf dem Weg hinaus wirkte der Hain viel kleiner als bei meiner Wanderung durch den Nebel, und als ich später zurückblickte, sah ich nichts als ein winziges Wäldchen, das licht und grün in der Mittagssonne lag. Aber ich spürte das Etui mit dem Schlüssel in meiner Tasche, das sich greifbar und wirklich anfühlte und mir bewies, dass meine Begegnung am See mehr gewesen war als ein flüchtiger Traum.

Das Heerlager
    Tief in den Dunklen Landen, im Heerlager der Freien Völker, kam unsere Gruppe zum ersten Mal in voller Stärke zusammen. Wir trafen uns im Kommandozelt des bitanischen Königs Lukar, der nach dem Lichtgott benannt war und auch sonst versuchte, eine strahlende Erscheinung abzugeben. Er zeigte sich nie ohne seine überschwere, glänzende Rüstung.
    So kommt es, dass der stolze Führer der Allianz gegen Leuchmadan mir vor allem für den Schweiß im Gedächtnis bleiben wird, der ihm in Strömen über das Gesicht lief und die dunklen Locken an seiner Stirn kleben ließ. Der Sommer war heiß, und das dürre, giftige Gestrüpp dieses Landes bot so wenig Schutz vor der Sonne wie die dünnen Zeltplanen.
    Könige und Feldherren versammelten sich hier, die Edlen der Menschen, der Elfen und der Zwerge. Es war eine Gesellschaft, zu der man uns kleine Leute üblicherweise nicht einlud. Heute waren wir hier, weil man etwas von uns wollte.
    Ein weiterer Gast war Gulbert, der Zauberer, ein Mensch und ein Elfenfreund sowie Halblingkundiger. Es war seine Idee, aufgrund deren wir alle hier zusammenfanden. Er stand vor der Runde der Fürsten, überragte sie alle mit seinem spitzen Hut und strich sich durch den langen weißen Bart, während er die Auserwählten vorstellte.
    »Otli ist der älteste der Halblinge.« Gulbert wies auf meinen Begleiter, dessen Bart so weiß war wie der des Zauberers, wenn auch sauber gestutzt und nicht so fettig. Otli teilte nicht Gulberts enervierende Gewohnheit, mit seinen Körperanhängen herumzuspielen. Stattdessen knetete er seinen abgetragenen grünen Filzhut. »Otli ist der bekannteste Jäger und Fährtenleser im Wichtelland, und ich habe ihn wegen seiner großen Erfahrung ausgewählt.«
    Als Nächstes wandte Gulbert sich dem Nachbarn zu meiner Linken zu. Fast hätte ich mich beleidigt gefühlt, als er mich so überging, doch ich dachte an den Spruch meiner Mutter: Das Beste zum Schluss .
    »Malangar ist Otlis Schüler«, erklärte Gulbert. »Ein junger, gewandter und gewitzter Jäger unter den Halblingen. Niemand bewegt sich so verstohlen wie er …«
    Die großen Leute sahen den jungen Malangar an, und ich las den Zweifel in ihren Blicken. Tatsächlich sah Malangar so aus, als gehöre er mit einer gemütlichen Pfeife im Mund an den Kamin eines Wurzelheims, nicht in einen Wald oder gar in die feindseligen Länder Leuchmadans.
    Aber die Gabe der Wichtel, nicht gesehen zu werden, ist eine magische, genau wie ihre scharfen Sinne. Malangars fülliger Körperbau mit dem vorspringenden Bauch, seine platte Nase und die wirren roten Haare, die ihm in die Augen hingen, änderten so wenig an seinen Fertigkeiten wie die Sommersprossen auf seinen Pausbacken.
    Dennoch wand er sich unter der kritischen Musterung der Großen und rückte enger an mich heran. Ich verzog das Gesicht und wollte ausweichen, aber das brachte mich dichter an Otli auf der anderen Seite heran, weshalb wir drei bald zusammengedrängt dastanden wie eine Schar von Schafen im Angesicht der Wölfe.
    Ein peinlicher Augenblick, vor allem, weil Gulbert gerade ganz formlos auf mich zu sprechen kam: »… Keiner, außer womöglich Volpar, eine Legende bei seinem Volk. Er ist weit gereist in den Schraffelgraten und hat selbst die Heime von Goblins und Trollen unbemerkt erkundet. Auf ihn setze ich die größte Hoffnung bei unserem Unternehmen, wir übrigen sind nur seine Begleiter.«
    Ich grinste und drehte mich zu Laetas und Maneas um. Ich wurde nicht enttäuscht. Die beiden stolzen Elfen zogen bei Gulberts Worten ein Gesicht, als hätten sie in eine der Bitterbeeren von Leuchmadans Land gebissen. Aber sie sagten nichts. Es war ein Zwerg, der stattdessen das Wort erhob.
    »Volpar, der Dieb!«
    Auch bei den Haarbällen hatte sich mein Ruf also schon verbreitet.
    »Ich bevorzuge die Bezeichnung ›Volpar, der Abenteurer‹«, erwiderte ich.
    Der Zwerg musterte mich grimmig, soweit man das unter den buschigen Brauen beurteilen konnte. Wenn Gulbert je auf den Gedanken kam, aus dem heutigen Rat einen Ausschuss der
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