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Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 2 (German Edition)
Autoren: Bernd Frenz
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Weißbärte abzuordnen, dann hätte neben ihm selbst und Otli auch dieser Zwerg Anspruch auf einen Platz darin gehabt. Auf einen Ehrenplatz!
    Sein Haupthaar und sein Bart verschmolzen zu einem einzigen, rundumlaufenden Wasserfall dünner, schneeweißer Zöpfe, die fast bis zum Boden reichten. Nur ab und an blitzte zwischen den Strähnen ein wenig von dem Kettenhemd hervor, das dieser Zwerg bestimmt nur darum trug, um sein gewiss ebenso imposantes Brusthaar im Zaum zu halten. Hätte dieses sich je mit der Fülle auf dem Kopf vereinen können, es hätte ihn ohne Zweifel überwältigt.
    Die Zwerge und die Elfen saßen an zwei entgegengesetzten Enden des Ratstisches, mit den Menschen zwischen sich. Wenn man diesen alten Zwergenkrieger ansah, wusste man auch, warum. Seine üppige Haarpracht glänzte so schmierig, als könne sie jeden Augenblick buchstäblich davonfließen. Gulbert mochte sich dann und wann die Hände an seinem Bart abwischen, dieser Zwerg aber sah so aus, als würde er mit seinen Zöpfen regelmäßig den Braten einfetten; wenn er sprach, tauchten seine wulstigen Lippen rhythmisch in der Haarpracht auf und unter, als würde er darauf kauen.
    Und das alles schreibe ich nicht, um etwa meine Vorbehalte gegen Zwerge zu äußern, oder aus Rache für die unfreundliche Begrüßung, die er mir in diesem Rat zuteilwerden ließ, nein: Ich schildere vielmehr so unvoreingenommen wie möglich meine Eindrücke von diesem Tag.
    »Er hat nicht nur die Goblins und die Trolle in den Schraffelgraten besucht«, erklärte der Zwerg und bewies damit, dass Zwerge gern lang und tief nach uralten Schätzen graben und dabei auch immer wieder alte Geschichten zutage fördern. »Er war auch in unseren Wohnstätten ein ungebetener Gast.«
    Gulbert hob beschwichtigend die Hand. »Bitte, Meister Epikatros«, sagte er. »Es gab in der Vergangenheit viel Zwist zwischen unseren Völkern. Doch wir sind übereingekommen, das zu vergessen, zum Wohl unserer Allianz und im Angesicht der größeren Gefahr. Ich muss darum bitten, diese Vereinbarung auch auf die Halblinge auszudehnen.«
    Der Menschenkönig Lukar sah auf uns herab. Er zupfte sich an seinem kurzen Bart, und in seinen Augen konnte ich die Frage lesen, die Prinz Perbias, der Sohn des Elfenkönigs Parestas, laut aussprach: »Wir haben ein Bündnis geschlossen und kleinliche Streitereien beiseitegelegt, damit wir uns gegenseitig helfen können. Aber was für eine Hilfe können sie uns schon anbieten, diese Wichtel? Sie zehren doch jetzt schon von unserem Schutz und …« Er kräuselte spöttisch die Lippen. »… sind allenfalls eine kleinliche Störung und Ablenkung bei unserem Zug gegen Leuchmadan.«
    »Hör mal, du …«, brauste Malangar neben mir auf.
    Gulbert legte ihm die Hand auf den Kopf und brachte ihn zum Schweigen. »Sie können gehen, wohin niemand von uns zu gelangen vermag. Sie können holen, was uns verschlossen bleibt. Wir können es uns nicht erlauben, auf ihre speziellen Talente zu verzichten. Gegen Leuchmadan müssen wir alle Möglichkeiten nutzen, die den Freien Völkern gegeben sind.«
    »Diese Talente, auf die Ihr anspielt, Herr Zauberer«, meldete sich ein weiterer Mensch zu Wort, ein Priester des Lichtgottes in bunten Roben. »Für mich klingen sie ganz genauso wie die finsteren Gaben, die Leuchmadan den tückischen Gnomen verliehen hat. Diebstahl und Verstohlenheit, das sind keine Künste, die im Lichte gedeihen. Da mag man fragen, ob dieses Volk zu Recht in unserer Mitte steht – oder ob wir mit den Halblingen nicht die Spione des Feindes selbst in unsere Reihen geholt haben!«
    »Hört, hört!«, murmelte Lambanos Epikatros, der Zwerg, und klopfte beifällig mit dem Griff seiner Axt auf den Tisch.
    Gulbert schüttelte den Kopf, aber bevor er das Wort ergreifen konnte, riss ein junger Menschenfürst das Schwert aus der Scheide und fuchtelte damit in der Luft herum. »Wir brauchen diese Tücke nicht! Bitanischer Stahl reicht aus, um den Sieg zu erringen. Seit der Schlacht vor Opponua treiben wir Leuchmadans Horden vor uns her. Wir müssen uns nicht auf die Schultern zwergwüchsiger Kümmerlinge stützen, wir siegen auch so!«
    »Na, na!«, knurrte Lambanos. Seine Axtklinge kratzte auf dem Schild, den er neben sich an den Tisch gelehnt hatte.
    »Feiert unseren Sieg nicht zu früh«, erwiderte Gulbert ernst. »Es ist wahr, Leuchmadan hat vor Opponua eine Niederlage erlitten und ein Heer verloren. Doch das waren nur Goblins aus dem Osten und Menschen aus dem
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