Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)

Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)

Titel: Große Geschichten vom kleinen Volk - Band 1 (German Edition)
Autoren: Aileen P. Roberts
Vom Netzwerk:
durchzuhalten. Noch dazu, da er eine nahezu schlaflose Nacht und einen sehr aufregenden Tag hinter sich gebracht hatte, was alles an den Kräften zehrte.
    Die Gaststube war gut besetzt, und es waren wohl, den misstrauischen und prüfenden Blicken nach zu urteilen, mit denen sie Magister Brady und den Bogin Kobbi musterten, großenteils Einheimische. Die Reisenden setzten sich an einen freien Tisch und wurden flink bedient. Kobbi war glücklich, weil keine Wünsche offenblieben. Trotzdem blieb ihm der erste Bissen im Halse stecken, denn er fühlte nach wie vor viele Augenpaare bohrend auf sich gerichtet.
    »Meister, das ist unheimlich«, flüsterte er seinem Herrn zu.
    »Ach was, das sind doch nur Menschen – wie ich«, winkte der Magister ab und nahm einen kräftigen Zug.
    »Die Stimmung ist … gereizt«, fuhr Kobbi unbeirrt fort. Bogins hatten ein sehr feines Gespür für so etwas. Sie hörten selbst noch den Atem des wachsenden Korns. »Mir scheint, wir sind zu einem ungünstigen Moment hier erschienen.«
    »Welche Lebensweisheit«, spottete sein Herr. »Hat dir noch niemand gesagt, dass es in der Fremde keinen günstigen Moment gibt?«
    »Aber das scheint mir ein besonders ungünstiger Moment zu sein«, murmelte Kobbi und begann hastig zu essen. Eigentlich gehörte sich das nicht, aber die Mahlzeit, die so gut ausgesehen hatte, war ohnehin ziemlich fad, zumal am Salz gespart worden war. Doch sie sättigte, und darauf kam es an. Und wenigstens das Bier schmeckte.
    Der junge Bogin nahm gerade die letzten Soßenreste mit einem Brotstückchen auf, als jemand an ihren Tisch trat. Ein Bauer, ohne jeden Zweifel, in Landtracht und mit Schaffellweste. In der schwieligen Linken hielt er einen Bierkrug. Sein Gesicht war unrasiert und nur mäßig gereinigt. Er schwankte leicht. Offenbar hatte er dem Bier schon ordentlich zugesprochen, und auch dem Schnappihndir , kurz Schnappes genannt, der unaufhörlich in kleine Gläser eingeschenkt und auf einen Zug geleert wurde. Im Gegensatz zu dem von den Bogins bevorzugten Brandy war der von klarer Farbe.
    »So«, begann der Mann, während die Gespräche im Raum verstummten. Niemand wollte sich entgehen lassen, was der Bauer zu sagen haben mochte.
    »Seid ihr von drüben geschickt worden?«
    »Niemand schickt uns, mein guter Freund, wir sind aus Tyvert angereist und machen im schönen Beenstock Rast, um morgen nach Mathlatha weiterzureisen«, antwortete Magister Brady freundlich und wies auf den freien Stuhl neben sich. »Aber nimm doch Platz und trink einen mit uns.«
    »Und du hast nicht erst in Wesperton Station genommen?«
    Kobbi konnte sich nicht erinnern, einen weiteren Markt gesehen zu haben. Auch sein Meister hob die fein geschwungenen Brauen. »Aber das wäre doch ein Umweg«, antwortete er. »Wesperton liegt eine gute halbe Wegstunde entfernt Richtung Osten, noch dazu jenseits des Flusses. Wir reisen aber nordwestlich, wohin uns diese Straße führt.« Er wies auf seine traditionelle Kleidung, die ihn als Gelehrten auswies. Es gab sonst kaum jemanden, der farbige lange Gewänder trug und samtene Kopfbedeckungen, von denen übrigens keine der anderen glich. Außerdem ließ er den Kinnbart länger wachsen als an den Wangen, damit er »schön gezwirbelt« werden konnte, was »beim Nachdenken« half, wie Magister Brady sich auszudrücken pflegte. »Kennst du jemanden von meiner Zunft, der sich an anderen Orten als einem Studierzimmer aufhält? Nein? Dann darfst du annehmen, dass ich die Reise unverzüglich hinter mich bringen will, um an der Akademie in Mathlatha anzukommen und mich mit dem wohlvertrauten Staub alter Lehren und mit Bücherkrebsen zu umgeben.«
    Der Bauer schien über die Worte nachzudenken. Er sah nicht so aus, als habe er viel verstanden. Doch etwas war hängen geblieben. »Einverstanden, lass uns einen heben!« Er quälte die Bodendielen, die sich schnarrend und knarzend beschwerten, als er den Stuhl fest niedergedrückt zurückschob und sich dann krachend darauffallen ließ. Dann hob er den Krug und blickte um sich. »Der Magister lädt ein zur Lokalrunde!«
    Kobbi öffnete erschrocken den Mund, doch sein Herr drückte energisch seinen Arm und bedeutete ihm, still zu sein. Der junge Bogin sah den Magister bittend an. Es ging ja nicht nur darum, dass diese Runde an alle – und es waren doch eine Menge Männer und Frauen anwesend – ein tiefes Loch in den Beutel seines Herrn riss. Viel schlimmer war, dass dies lediglich den Auftakt zu einem ausgiebigen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher