Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)
Autoren: Leigh Bardugo
Vom Netzwerk:
Ich verlor das Gleichgewicht, und weil ich den Sturz mit meinen in Ketten liegenden Händen nicht abfangen konnte, schlug ich mit den Knien schmerzhaft auf den Planken auf. Ich zuckte zusammen, als sich ein Splitter in mein Fleisch bohrte.
    »Weiter«, befahl Iwan. Ich rappelte mich schwerfällig auf, doch er trat mir die Beine weg und ich knallte noch einmal auf die Planken. »Ich sagte: Weiter! «
    Da wurde ich von einer großen Hand behutsam auf die Füße gestellt. Als ich mich umdrehte, erblickte ich zu meiner Überraschung die dunkelhaarige Frau und den Riesen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    »Kümmert euch um euren eigenen Kram«, sagte Iwan zornig.
    »Sie ist Sturmhonds Gefangene«, erwiderte das Mädchen. »Und sie muss dementsprechend behandelt werden.«
    Sturmhond. Der Name kam mir bekannt vor. War dies sein Schiff? Und seine Besatzung? Auf der Verrhader hatte man von ihm erzählt. Er war ein Freibeuter und Schmuggler aus Rawka, berühmt und zugleich berüchtigt, weil er die Blockade der Fjerdan durchbrochen und durch die Kaperung gegnerischer Schiffe große Reichtümer gescheffelt hatte. Er segelte allerdings nicht unter der Flagge mit dem Doppeladler.
    »Sie ist die Gefangene des Dunklen «, sagte Iwan, »und eine Verräterin.«
    »Vielleicht an Land«, gab die junge Frau zurück.
    Iwan brabbelte etwas auf Shu, das ich nicht verstand. Der Riese lachte nur.
    »Dein Shu ist jämmerlich«, sagte er.
    »Außerdem nehmen wir von dir keine Befehle entgegen, egal in welcher Sprache«, fügte die junge Frau hinzu.
    Iwan grinste. »Ach, nein?« Er machte eine Geste. Die junge Frau griff sich an die Brust und sackte auf ein Knie.
    Bevor ich mich’s versah, zog der Riese einen blitzenden Krummsäbel und stürmte los. Iwan machte gelassen eine weite Handbewegung. Der Riese verzerrte das Gesicht, ließ sich aber nicht aufhalten und näherte sich Iwan.
    »Lass sie in Ruhe«, sagte ich und zerrte hilflos an der Kette. Ich konnte mein Licht zwar mit gefesselten Händen aufrufen, vermochte es aber nicht zu lenken.
    Iwan ignorierte mich. Er ballte die Hand zur Faust. Der Riese blieb wie angewurzelt stehen und der Säbel entglitt seinen Fingern. Schweißperlen traten auf seine Stirn, während Iwan das Leben aus seinem Herzen presste.
    »Immer schön brav, je scho «, mahnte Iwan.
    »Du bringst ihn um!«, sagte ich voller Panik. Ich wollte Iwan umwerfen und rammte ihm eine Schulter in die Seite.
    Da ertönte ein lautes, doppeltes Klicken.
    Iwan erstarrte, sein Grinsen verflog. Hinter ihm stand ein junger, hochgewachsener Mann, der ungefähr in meinem Alter war, vielleicht ein paar Jahre älter – Strubbelhaare, eine krumme Nase, die bestimmt schon ein paarmal gebrochen worden war. Der listige Fuchs.
    Er drückte eine gespannte Pistole gegen Iwans Hals.
    »Ich bin ein großzügiger Gastgeber, Blutrünstling. Aber in jedem Haus gelten Regeln.«
    Gastgeber . Dies war also Sturmhond. Er wirkte viel zu jung, um Anführer oder Kapitän zu sein.
    Iwan ließ die Hände sinken.
    Der Riese schnappte nach Luft. Das Mädchen kam auf die Beine, immer noch eine Hand an die Brust gedrückt. Beide atmeten schwer und in ihren Augen stand der blanke Hass.
    »So ist es brav«, sagte Sturmhond zu Iwan. »Ich bringe die Gefangene jetzt in ihre Unterkunft und du kannst abzischen und tun … Nun, was immer du so tust, während alle anderen arbeiten.«
    Iwan zog eine Grimasse. »Ich denke nicht–«
    »Nein, eindeutig nicht. Warum also jetzt damit anfangen?«
    Iwan errötete vor Zorn. »Du kannst nicht–«
    Sturmhond beugte sich dicht zu ihm hin. Er klang plötzlich nicht mehr heiter. Seine Leutseligkeit wich einem rasiermesserscharfen Ton, als er sagte: »Mir ist vollkommen egal, wer du an Land bist, denn auf diesem Schiff bist du nur Ballast. Außer ich ließe dich über die Planke gehen – dann wärst du wenigstens Futter für die Haie. Ich mag Haie. Kein schöner Anblick, aber er sorgt für etwas Abwechslung. Denk daran, wenn du das nächste Mal auf meinem Schiff jemanden bedrohen willst.« Er trat einen Schritt zurück und fügte mit der alten Heiterkeit hinzu: »Du darfst jetzt gehen, Haifutter. Verschwinde zu deinem Herrn und Meister.«
    »Das vergesse ich nicht, Sturmhond«, zischte Iwan.
    Der Kapitän verdrehte die Augen. »Hervorragend. Genau das war meine Absicht.«
    Iwan machte auf dem Hacken kehrt und stapfte davon.
    Sturmhond schob die Pistole ins Holster und lächelte. »Erstaunlich, wie schnell man das Gefühl hat,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher