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Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)

Titel: Grischa, Band 2: Eisige Wellen (German Edition)
Autoren: Leigh Bardugo
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würde gern wissen, wie blöd ich war.«
    »Ich war gern mit dir befreundet, Alina. Aber ich bereue keine meiner Taten.«
    »Und die Taten des Dunklen? Was ist damit?«
    »Ich weiß, dass du ihn für ein Ungeheuer hältst, aber er versucht nur, das Richtige für Rawka und für uns alle zu tun.«
    Ich stemmte mich auf die Ellbogen. Ich durchschaute die Lügen des Dunklen nun schon so lange, dass ich vergaß, wie viele Menschen immer noch auf ihn hereinfielen. »Er hat die Schattenflur erschaffen, Genja.«
    »Der Schwarze Ketzer …«
    »Den Schwarzen Ketzer hat es nie gegeben«, sagte ich und enthüllte ihr damit die Wahrheit, die ich vor Monaten im Kleinen Palast von Baghra erfahren hatte. »Der Dunkle hat einem erdachten Vorfahren die Schuld an der Schattenflur gegeben, aber der Dunkle war immer derselbe, und es geht ihm nur um Macht.«
    »Das kann nicht sein. Er hat schon immer versucht, Rawka von der Schattenflur zu befreien.«
    »Wie kannst du so etwas sagen? Hast du vergessen, was er mit Nowokribirsk getan hat?«
    Der Dunkle hatte die Macht der Ödsee missbraucht, um eine ganze Stadt auszulöschen, hatte seine Stärke demonstriert, um seine Feinde einzuschüchtern und den Beginn seiner Herrschaft zu markieren. Und ich hatte ihm dies ermöglicht.
    »Ich weiß, dass es einen … Zwischenfall gab.«
    »Einen Zwischenfall? Er hat Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Menschen getötet.«
    »Und die Besatzung des Skiffs?«, fragte sie leise.
    Ich holte ruckartig Luft und sank zurück auf die Koje, starrte lange die Decke an. Ich wollte es eigentlich gar nicht wissen, aber die Frage hatte mir während der langen Überfahrt und all der Wochen, die seit dem Vorfall verstrichen waren, im Nacken gesessen. Also fragte ich: »Gab es … gab es weitere Überlebende?«
    »Außer Iwan und dem Dunklen?«
    Ich nickte.
    »Zwei Inferni, die ihnen zu entkommen halfen«, sagte sie. »Ein paar Soldaten der Ersten Armee. Und eine Stürmerin namens Nathalia, aber sie starb wenige Tage später an ihren Verletzungen.«
    Ich schloss die Augen. Wie viele Menschen waren an Bord des Sandskiffs gewesen? Dreißig? Vierzig? Mir wurde übel. Ich hatte wieder ihre Schreie und das Kreischen der Volkra im Ohr, konnte wieder Schießpulver und Blut riechen. Ich hatte diese Menschen für Maljens Überleben und meine Freiheit geopfert, und nun schien es, als wären sie umsonst gestorben. Wir waren erneut in die Fänge des Dunklen geraten, und er war mächtiger denn je.
    Genja griff nach meiner Hand. »Du hast getan, was du tun musstest, Alina.«
    Ich lachte kehlig auf und riss meine Hand weg. »Sind das die Worte, die du vom Dunklen hörst, Genja? Erleichtert dir das die Sache?«
    »Nein. Wohl kaum.« Sie senkte den Blick auf ihren Schoß, raffte und straffte die Falten ihrer Kefta. »Er hat mir die Freiheit geschenkt, Alina«, sagte sie. »Was soll ich denn tun? In den Palast zurückkehren? Zum Zaren?« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Ich habe mich entschieden.«
    »Und die anderen Grischa?«, fragte ich. »Sie können sich doch nicht alle auf die Seite des Dunklen geschlagen haben. Wie viele sind in Rawka geblieben?«
    Genja erstarrte. »Ich glaube nicht, dass ich mit dir darüber sprechen sollte.«
    »Genja …«
    »Iss, Alina. Und ruh dich aus. Wir werden das Eis bald erreichen.«
    Das Eis. Dann kehrten wir also nicht nach Rawka zurück. Dann segelten wir nach Norden.
    Sie stand auf und bürstete den Staub von ihrer Kefta. Sie scherzte über die Farbe, aber ich wusste, wie viel sie ihr bedeutete, denn sie bewies, dass sie tatsächlich eine Grischa war – dass sie beschützt und geschätzt wurde, keine Dienerin mehr war. Ich musste an die rätselhafte Krankheit denken, die den Zaren vor dem Putsch des Dunklen geschwächt hatte. Genja hatte zu den wenigen ausgewählten Grischa gehört, die Zugang zur Zarenfamilie gehabt hatten. Und dies hatte sie ausgenutzt, um ein Anrecht darauf zu erwerben, Rot zu tragen.
    »Genja«, sagte ich, als sie bereits an der Tür stand. »Noch eine letzte Frage.«
    Sie blieb stehen, eine Hand auf dem Knauf.
    Die Frage kam mir nach all der Zeit unwichtig, ja dumm vor. Aber sie hatte mich lange beschäftigt. »Die Briefe, die ich im Kleinen Palast an Maljen geschrieben habe. Er behauptet, sie nie erhalten zu haben.«
    Sie drehte sich nicht zu mir um, aber ich sah, wie ihre Schultern sanken.
    »Sie wurden nie abgeschickt«, flüsterte sie. »Der Dunkle meinte, du müsstest mit deinem alten Leben
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