Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen
Autoren: Rafael Abalos
Vom Netzwerk:
stellte.
    Dann setzte er sich zu ihnen und machte sich daran, Walnüsse zwischen den Handflächen aufzuknacken.
    »Weiß der Abt denn schon, dass wir hier sind?«, fragte Durlib, ohne sein geräuschvolles Schlürfen zu unterbrechen.
    »Als Keno mir von eurer Ankunft berichtet hat und ich losgegangen bin, um euch zu öffnen, hatte das Abendessen gerade begonnen. Da wollte ich den Abt nicht stören, um unser Schweigegelübde nicht zu brechen. Ich werde es ihm mitteilen, sobald alle zu Ende gegessen haben, noch bevor er das letzte Stundengebet des Tages in der Kirche abhält. Aber du weißt ja, es ist Christenpflicht, Reisenden und Pilgern ein Dach über dem Kopf anzubieten. Er wird also nichts dagegen einwenden, dass ihr heute Nacht in der Abtei bleibt.«
    »Ich muss dringend mit ihm sprechen, bevor er sich in seine Gemächer zurückzieht«, erklärte Durlib nach einem ausgiebigen Schluck Wein.
    »Kann ich dir vielleicht weiterhelfen?«, fragte der Mönch neugierig.
    »Ich will dem Abt einen Tauschhandel vorschlagen, Pferde gegen Silbermünzen.«
    »An Vermögen mangelt es dir derzeit offenbar nicht«, stellte Bruder Brasco fest. »Wer war denn diesmal das Opfer deines Raubzugs?«, fügte er argwöhnisch hinzu.
    »Wen sollte ich denn in diesen einsamen Bergen mitten im Winter schon überfallen, wenn nicht einmal Krähen über den Wald fliegen?«, fragte Durlib alarmiert.
    »Vielleicht ein Gespenst«, antwortete der Mönch leise, schob sich eine Walnuss in den Mund und knackte sie mit seinen kräftigen gelben Backenzähnen.
    Durlib starrte Grimpow mit weit aufgerissenen Augen an, überspielte seine Verblüffung jedoch gleich wieder und versetzte gelassen: »Es handelt sich um Silbermünzen, die ich für einen Anlass wie diesen aufgehoben habe.«
    Der Junge verfolgte die Unterhaltung gespannt und stumm, genau wie Keno, der riesige, zurückgebliebene Klosterdiener. Doch dann richtete der Mönch seine Eichhörnchenaugen auf ihn und fragte, als interessierten ihn Durlibs Erklärungen nicht weiter: »Was ist mit dir? Warum bleibst du nicht als Novize in der Abtei und stellst dein Leben in den Dienst Gottes, anstatt in Gesellschaft eines Diebes wie Durlib durch die Welt zu ziehen?«
    »Ich will meinen eigenen Weg im Leben finden«, brachte Grimpow schüchtern vor.
    »Du wirst keinen heiligeren Weg finden als den von Arbeit und Gebet. Heutzutage wimmelt es in Wald und Flur von Dieben, abtrünnigen Mönchen und Bettlern«, führte Bruder Brasco aus und musterte Durlib dabei vielsagend. »Es gibt keine bessere Zuflucht als das Haus unseres Herrn, um den Versuchungen der Sünde zu entgehen. Hier kannst du alles Mögliche lernen: Latein und Griechisch, Vieh hüten, Gemüse anbauen, Blumen und Heilkräuter sammeln, Kranke versorgen, Handschriften abschreiben, sie ausmalen und übersetzen. Du könntest sogar Küchengehilfe werden und nach meinem Tod meinen Posten übernehmen. Ich hoffe aber, das geschieht erst lange, nachdem ich alt geworden bin«, fügte er mit einem Blick in Richtung Decke hinzu.
    »Ich mag das Schweigen nicht«, wandte Grimpow ein, der sich durch die Gesprächigkeit des Mönchs ermuntert fühlte.
    Bruder Brasco fand die Antwort offensichtlich komisch, denn er lachte laut auf. »Wie du siehst, ist der Koch von der Einhaltung dieser strengen Ordensregel ausgenommen. Ich könnte mich unmöglich mit den Dienern verständigen, wenn ich dazu nur die Hände benutzen und nicht sprechen dürfte«, erklärte er amüsiert.
    »Wahrscheinlich würdet Ihr auch platzen, wenn Ihr einen ganzen Tag lang schweigen solltet«, erklärte Durlib, dem der Wein allmählich die Zunge löste.
    Bruder Brasco nahm Durlibs spitze Bemerkung mit Humor, denn er kannte ihn gut genug, um keinerlei Bosheit hinter seinen Worten zu vermuten. Alle lachten gedämpft, um die Stille in der Abtei nicht zu stören.
    Nach einer Weile verrieten ihnen das Bänkerücken und die Schritte, dass die Mönche ihr Abendessen beendet hatten und das Refektorium schweigend verließen.
    »Entschuldigt mich einen Moment, ich werde den Abt über eure Ankunft in Kenntnis setzen«, bat der Mönch und stand auf.
    Kaum war Bruder Brasco aus der Küche gegangen, da fragte Durlib Grimpow leise: »Hast du gehört, was er gesagt hat?«
    Grimpow nickte mehrmals.
    »Er hat gleich von einem Gespenst gesprochen und damit den Besitzer der Silbermünzen gemeint«, schob Durlib hastig nach.
    »Möglicherweise war es nur eine Redensart, um zu erklären, wie du zu diesen Silbermünzen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher