Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Grimpow Das Geheimnis der Weisen

Titel: Grimpow Das Geheimnis der Weisen
Autoren: Rafael Abalos
Vom Netzwerk:
gekommen bist«, überlegte Grimpow.
    »Was, wenn der tote Edelmann hier war, bevor wir ihn gefunden haben?«, überlegte Durlib und sah dem Jungen dabei direkt in die Augen, als wollte er seine Gedanken lesen.
    Grimpow konnte die Frage nicht beantworten, da Bruder Brasco, gefolgt vom Abt, durch die kleine Tür aus dem Refektorium hereinkam.
    »Diese Füchse haben einen schlechten Zeitpunkt gewählt, um ihren Bau in den Bergen zu verlassen«, sagte der Abt lächelnd, sobald er sie beim Kamin erblickt hatte.
    Durlib stand auf und lief auf ihn zu, um den großen Ring an der Hand zu küssen, die der Abt ihnen entgegenstreckte. Grimpow tat es ihm nach und spürte das kalte Gold auf den Lippen, als hätte er sie auf ein Stück Eis gedrückt.
    Der Abt von Brinkum war nicht nur das Oberhaupt des Klosters, seine Macht erstreckte sich vielmehr über ganz Uliense sowie einen Teil der benachbarten Gemarkung. Angeblich war er einst ein verwegener Ritter gewesen, der mit dreißig Jahren den Waffen abgeschworen hatte, um Mönch zu werden und den Rest seines Lebens fernab der Welt wie ein Einsiedler zu leben. Doch Bruder Brasco hatte Durlib vor geraumer Zeit erzählt, der wahre Grund für die frommen Anwandlungen des Abtes sei eine schöne Dame gewesen, die seine Liebe auf den ausdrücklichen Wunsch ihres Vaters hin verschmähte. Der Abt besuche sie jedoch nach wie vor als Beichtvater in einem nahe gelegenen Schloss und überhäufe sie mit Geschenken und Aufmerksamkeiten.
    Daraufhin hatte Grimpow sich vorgestellt, dass diese Dame an ihren zarten Händen einen Teil des Schmuckes trug, den sie als Wegelagerer erbeutet hatten und der dem Abt ebenso viel oder noch mehr Freude bereitete als der Gesang seiner Mönche.
    Nachdem der Abt die Neuankömmlinge freundlich begrüßt hatte, wies er Bruder Brasco an, sie im Pilgersaal unterzubringen und nach dem letzten Stundengebet des Tages in seine Gemächer zu schicken, die neben dem Kapitelsaal gelegen waren.
    Kaum hatte er die Küche in Richtung Kreuzgang verlassen, gingen der Küchenmönch, Durlib und Grimpow ebenfalls hinaus. Allerdings benutzten sie eine Seitentür, von der aus eine enge Wendeltreppe direkt in den Pilgersaal führte. Sie erklommen die Stufen schweigend und nur im Schein einer kleinen Öllampe, die Bruder Brasco in der Hand trug. Der Saal lag im Dunkeln, und die flackernde Flamme ließ einige Strohsäcke erkennen, die nebeneinander auf dem Boden angeordnet waren. In dem großen, rechtwinkligen Raum mit dem Tonnengewölbe bildeten kleine Rundbogenfenster in einer Seitenwand den einzigen Schmuck. In der Mitte ragte ein dickes, rundes Ofenrohr aus dem Boden, durch das der Rauch aus dem Kamin der daruntergelegenen Küche aufstieg. Dadurch herrschte hier selbst in den strengen Gebirgswintern stets eine angenehme Temperatur, auch wenn in dieser Jahreszeit wegen der Schneedecke im Tal kaum Pilger und Reisende vorbeikamen und nur selten jemand in der Abtei übernachtete.
    »Wenigstens müsst ihr heute Nacht nicht das Schnarchen und die Ausdünstungen anderer Gäste ertragen«, sagte Bruder Brasco, während er aus einer altersschwachen Truhe ein paar dicke Wolldecken herauszog.
    »Ist es lange her, dass hier jemand geschlafen hat?«, fragte Durlib und schnüffelte wie ein Spürhund.
    »Wahrscheinlich seid ihr seit dem Wintereinbruch die Ersten, die diesen Saal betreten.«
    Durlib wirkte erleichtert, und Grimpow wusste sofort, was sein Freund dachte. Wenn Bruder Brasco nicht log, war der tote Edelmann offenbar nicht in der Abtei vorbeigekommen, bevor er sich in die Berge aufgemacht hatte. Demnach konnte niemand von seiner Existenz und seinem rätselhaften Verschwinden wissen.
    »Allerdings«, fuhr der Mönch fort, wobei er die Stimme senkte und einen vertraulichen Tonfall anschlug, »habe ich die Abtei gestern vor Sonnenuntergang verlassen, um mir ein wenig die Beine zu vertreten. Da glaubte ich, im Nebel einen einzelnen Reiter zu sehen, der zu den Bergen unterwegs war. Ich dachte, er habe sich verirrt und finde im Nebel den Weg zur Abtei nicht. Also habe ich nach ihm gerufen, aber er hat nur den Kopf gedreht und mich angesehen. Seine Augen kamen mir so leer vor wie bei einem Totenschädel. Dann hat er seinen Weg wie eine Seele im Fegefeuer fortgesetzt und ist im Nebel verschwunden.«
    Bruder Brascos Worte, in die Schatten hineingesprochen, die um sie herumtanzten, lösten bei Durlib und Grimpow einen heftigen Schauder aus und ließen beide verstummen.
    »Habt ihr diesen Reiter in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher