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Grimms Erben

Grimms Erben

Titel: Grimms Erben
Autoren: Florian Weber
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beiden Brüderpaare gemeinsam auf den Weg. Trimm und Tortl machte der Marsch zu schaffen, und ein qualvoller Durst ließ sie ihren Wasserschlauch leeren. Ihr Verlangen nach Essen und Trinken war stark wie nie zuvor. Schließlich hatten sie weder Brot noch Wasser. Sie baten ihre Mitreisenden um Nahrung und Getränke. Die beiden seltsamen Brüder antworteten unisono:» Wir haben weder Essen noch Trinken und wir brauchen es auch nicht.«
    Trimm und Tortl wollten es den beiden wirklich heimzahlen, aber an Schabernack war mittlerweile nicht mehr zu denken. Sie mussten rasten. Die nächste Stadt war noch einen ganzen Wochenmarsch entfernt, und so baten Trimm und Tortl: »Ihr müsst euch doch ernähren. Bitte, gebt uns von eurem Brot und Wasser, im Namen der Gerechtigkeit. «
    »Wir haben weder Essen noch Trinken und wir brauchen es auch nicht.«
    Die beiden seltsamen Brüder drängten auf ein schnelles Weitergehen, schließlich benötigte man Wasser für Trimm und Tortl. Am nächsten Tag brach Trimm zusammen, und Tortl fiel ebenso zu Boden: »Hört, holt uns aus dem Wald was zu essen. Grabt nach Wasser. Wir sterben.«
    Die Gebrüder fragten unisono: »Im Namen der Gerechtigkeit?«
    Tortl antwortete gereizt: »Ja, verdammt, im Namen der Gerechtigkeit!«
    So schallte es wieder im Einklang: »Wir haben weder Essen noch Trinken und wir brauchen es auch nicht.«
    Trimm war bereits bewusstlos, und Tortl ängstigte sich sehr.
    »Wie unbarmherzig seid ihr nur? Helft uns, wir sterben.«
    Das seltsame Brüderpaar antwortete: »Im Namen der Gerechtigkeit – wir haben weder Essen noch Trinken und wir brauchen es auch nicht.«
    Tortl sah auf seinen toten Bruder, und weinend gab er von sich: »Wer seid ihr bloß, dass ihr hilflose Menschen quält.«
    Prompt antworteten die beiden Brüder:
    »Wir sind die Gebrüder Hunger und Durst — wir kommen, wenn man uns ruft. Wir gehen, wenn wir gestillt wurden oder nicht mehr gebraucht werden. Wir warten nun hier, bis wir mit dir fertig sind. Im Namen der Gerechtigkeit oder der Ungerechtigkeit. «
    Es war das Letzte, was Tortl zu hören bekam.
    Und da Trimm und Tortl nun gestorben sind, werden sie keinen mehr mit ihren Streichen quälen können.
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    Früher haben sie sich oft versteckt, verstecken müssen, damit die von ihren Streichen gepeinigten Personen sie nicht in der Luft zerrissen. Ihn, Ignaz und seinen Bruder Aki.
    Einmal, nachdem sie in der Nacht vor der Beerdigung des alten Kirchenpianisten Bogavac dessen Sarg mit Steinen gefüllt hatten, und ihn selbst, also den Verstorbenen, entwendeten, um ihn in der Friedhofskapelle an eine provisorisch zusammengezimmerte Orgel zu setzen, die sie hinter einem Vorhang an der Fensterseite versteckten, da haben sie auch ein Versteck gebraucht.
    Eine Heidenarbeit war das gewesen, und wieso sie auf diese Idee gekommen waren, wusste hinterher keiner von den beiden mehr so genau. Vielleicht, weil der alte Bogavac mit seinen 99 Jahren den Anschein machte, nie von der Erde zu verschwinden. Sein Sohn, selbst schon 7 8 Jahre zählend, spekulierte seit je auf den Organistenposten in der Dorfgemeinde. Umsonst. Schließlich fand er eine Anstellung im achtzehn Kilometer entfernten Moosburg, was im Jahre 1934 eine aufwendige Reise mit dem Ochsenkarren darstellte, denn ein Auto besaßen die Bogavacs nicht, so wie auch sonst niemand im Dorf. Aber zwei Ochsenstärken, von denen eine den Junior dreimal in der Woche nach Moosburg brachte.
    Dann war es so weit, und der liebe Herrgott ließ den alten Bogavac beim Kartein im Rosenbräu mit einem hervorragenden »Herz sticht« in den Händen und auf den Lippen von der Bank gleiten. Später erfuhr man, dass der Bogavac doppeldeutig sprach, da er beim Schafkopfspiel ein Spatzenfreies Solo in der Hand hielt und ihm just im selben Moment eine gemeine Herzattacke stechende Schmerzen in der Brust bereitete. So kann es gehen, und so war der zähe Hund endlich hin, wie mancher Bürger es nicht leise verlauten ließ.
    Trotzdem: Die Trauergemeinde heulte Rotz und Wasser, so musste es sein, der Pfarrer fand treffliche Worte, seine jahrelange Organistenzeit huldigend und seine unermüdliche Schafkopfleidenschaft hervorhebend, auch dies war üblich, und bevor man ihn an sein Grab führte, wurde in der Totenkapelle noch ein Lied der Akzeptanz gesungen: »Ja, wir akzeptieren, dass wir irdisch sind und verbleichen müssen.« Das war die Mitteilung – nicht aber der wahre Wortlaut.
    Als nun der Pfarrer
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