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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers
Autoren: Gesa Schwartz
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»Verräter.«
    Langsam richtete Grim sich auf und wandte sich zu der Gruppe um. Eine Weile tuschelten sie noch weiter, dann merkten sie, dass er sie ansah.
    »Wer hat mich gerade so genannt?«, grollte er, obwohl er genau wusste, wer es gewesen war. Seine Stimme brach sich dunkel in den Gewölben des Saals, und die Gruppe der Uniformierten rückte zusammen wie eine Schafherde beim Anblick des Wolfes. Grim meinte sogar, leises Zähneklappern zu hören.
Zur Hölle, was seid ihr für Waschlappen!
Krallas stand vor ihnen wie ein ausgestoßenes Herdenmitglied. Blitzschnell packte Grim ihn an der Kehle, riss ihn in die Luft und drückte zu. Japsend strampelte Krallas mit den Beinen, die Augen quollen ihm aus dem Kopf. Spätestens jetzt war jedes Gespräch im Saal verstummt.
    »Du warst das?«, fragte Grim leise und schaute Krallas direkt in sein angstverzerrtes Gesicht.
    »Nein«, keuchte der und krallte seine Hände hilflos in Grims Klauen. »Ich wollte nur ...«
    »Du bist nur ein lächerlicher Speichellecker Mouriers«, sagte Grim ruhig. »Aber auch du bist Mitglied der OGP. Oder irre ich mich?«
    Krallas starrte ihn aus seinen farblosen Augen an, als wäre ihm der Antichrist erschienen. »Nein«, krächzte er.
    Grim zog ihn zu sich heran, so nah, dass er die Schweißperlen auf Krallas' Stirn sehen konnte.
    »Erster Grundsatz der OGP: Sei ein Gargoyle«, sagte er, ohne seinen Griff zu lockern. »Zweiter Grundsatz der OGP: Sei ein GARGOYLE!«
    Mit diesen Worten schleuderte er Krallas zu Boden. »Ihr seid nicht nur dumm und unerfahren, ihr benehmt euch auch noch wie winselnde Menschen!«, fuhr er die anderen der Gruppe an und trat einen Schritt auf sie zu. Sofort wichen sie vor ihm zurück. »Ist hier noch jemand, der mich einen Verräter nennt, mich, der seit Jahrhunderten im Dienst des Königs steht?« Er nickte zufrieden, als er die ehrfurchtsvollen Gesichter sah, und grollte leise: »Gut.«
    Noch einmal warf er einen Blick auf die jämmerliche Kreatur zu seinen Füßen, dann fuhr er herum und stampfte die Treppe nach oben. Natürlich wusste er, worauf sie anspielten. Seine Versetzung in den Streifendienst — zeitlich begrenzte Versetzung im Übrigen — kam ja nicht von ungefähr, und es war auch nicht das erste Mal. Er hatte schon immer in erster Linie seine eigenen Regeln befolgt, und er war bekannt dafür, dass er die Gesetze der Gargoyles mitunter ein wenig ... nun, dehnte. Und
ja,
er hätte sich diese ... Geschichte nicht zuschulden kommen lassen dürfen. Er hätte den Menschenjungen ausliefern müssen, der sich in die Nähe der geheimen Eingänge gewagt hatte, jener Eingänge, die in die anderweltliche Unterwelt von Paris führten. Grim wusste, dass er einen Fehler begangen hatte — und er würde ihn jederzeit wiederholen. Machte ihn das etwa zu einem Verräter?
    Er stieß die Tür auf und spürte sofort den eisigen Wind auf seinem Gesicht. Egal. Alles war besser als Krallas dort unten. Er warf sich in die Nacht und schwebte eine Weile weit oben über der Stadt. Kaum hatte die Kälte ihn ein wenig beruhigt, wurde der Regen stärker. Grim schnaubte. War ja klar. Er musste ins Trockene, auf der Stelle, aber zurück ins
Zwielicht?
Auf keinen Fall. Er warf einen Blick auf die Straßen unter sich. Ganz in der Nähe gab es einen Ort, an dem er seine Ruhe haben würde. Ein düsteres Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Lautlos überflog er ein paar Häuserzeilen, entdeckte den nassen Sand der Arenes de Lutece und ließ sich tiefer sinken. Mit leisem Knirschen schob er das oberste Fenster eines der umstehenden Häuser auf und zwängte sich hinein. Für einen Moment war es stockdunkel, dann hatten seine Augen sich an die Finsternis gewöhnt, und er konnte sich umsehen.
    Nichts hatte sich verändert seit seinem letzten Aufenthalt vor wenigen Wochen. Diese Etage war seit Längerem unbewohnt, auch wenn er sich gut vorstellen konnte, dass die Taubeninnung längst einen Antrag auf Besiedelung gestellt hatte. Mistige Kreaturen. Er sog die Luft ein. Kein Gargoyle war seitdem in diesem Gebäude gewesen, so viel stand fest, aber er witterte den Geruch von Menschen, kleinen Menschen. Ja, Kinder waren hier gewesen, vermutlich hatten sie in den verlassenen Räumen gespielt. Grim fuhr sich mit seiner Klaue über die Augen und lächelte. Er mochte es, Menschenkindern beim Spielen zuzusehen. Sie waren in einer Welt zu Hause, die ihm für immer verwehrt bleiben würde — eine Welt aus unverstellten Gefühlen, Träumen und
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