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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers
Autoren: Gesa Schwartz
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eine Klaue gelöst und streckte sie, sodass kleine Steinsplitter zur Straße hinabfielen, als sich im Gebäude auf der anderen Seite eine Tür öffnete. Laute Musik quoll auf die Straße, Grim roch Alkohol und Zigaretten. Angewidert verzog er das Gesicht. Er würde nie verstehen, wie die Menschen ihren eigenen Gestank ertragen konnten. Drei Männer traten auf die Straße, die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Grim rührte sich nicht. Er sah zu, wie zwei von ihnen die Straße hinabgingen und sich ein Taxi riefen. Der dritte blieb allein zurück, schlug seinen Jackenkragen hoch und stapfte in die andere Richtung. Grim hatte nichts an seiner Haltung verändert, und doch spürte er in jeder Faser seines Körpers, dass er in diesem Moment nichts mehr war als ein zum Sprung bereites Raubtier. Er hörte die Tür des Taxis zuschlagen. Im selben Moment breitete er die Schwingen aus und glitt seinem Opfer über die Häuserdächer lautlos nach.
    Mit angezogenen Schultern schob sich der Mann an einer Gruppe Menschen vorbei und bog in eine Seitengasse ab. Eine Laterne warf ihr flackerndes Licht auf weggeworfene Kippen, alte Zeitungen und leere Bierflaschen. Der Mann blieb stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. Er war allein in der Gasse, abgesehen von einer Katze, die um einen metallenen Müllcontainer strich und nach Essbarem suchte.
    Grims Schatten glitt übers Kopfsteinpflaster, seine Schwingen durchschnitten die Luft. Doch der Mann bemerkte ihn erst, als die steinerne Faust des Gargoyles bereits seine Kehle umfasst hielt. Seine Zigaretten landeten mit dumpfem Geräusch in einer Pfütze. Panisch strampelte er mit den Füßen, denn Grim hatte ihn ein ganzes Stück emporgehoben, und griff nach den riesigen Klauen. Der Schreck verzerrte sein Gesicht zu einer Maske der Angst.
    »Zeige dich«, grollte Grim leise. Er wusste, dass allein sein Anblick den Menschen zu Tode ängstigen musste. Die dunkle Gestalt, das menschliche, aber steinerne Gesicht mit der Narbe quer über dem rechten Auge, die klauenartigen Hände und Füße ... Möglicherweise mochte er im ersten flüchtigen Moment noch wirken wie ein außergewöhnlich großer Mensch mit schulterlangem tiefschwarzen Haar, doch spätestens mit Blick auf seine riesigen Schwingen wurde auch dem ignorantesten Sterblichen klar, dass er im besten Fall einen Engel vor sich hatte — einen Engel aus Schatten und Dunkelheit. Doch schlimmer als all das war seine Stimme. Sie klang wie das Bersten großer Felsen, und obwohl er sich bemühte, ruhig zu sprechen, löste ihr Ton bei dem Menschen wie üblich Entsetzen aus.
    Aber es war nicht der Mensch, mit dem er sprach.
    »Zeige dich«, wiederholte er. »Oder hast du Angst?«
    Ein animalisches Keuchen kroch aus der Kehle des Menschen, und gleich darauf verzerrte sich dessen Gesicht zu einer bösartigen Fratze. Die Haut zog sich zusammen, als würde sie rasend schnell altern, die Lippen wichen zurück und gaben den Blick frei auf nadelspitze schwarze Zähne. Grim fühlte ihn, den Dämon, der sich in diesem Sterblichen eingenistet hatte wie eine Ratte in einem Kadaver. Dann veränderten sich die Augen, und Grim konnte ihn sehen: Die Pupille weitete sich, sie franste an den Rändern aus und kroch über das Weiß der Augen wie schwarze Tinte über ein frisches Laken. Und aus dem Dunkel starrte Grim Hass entgegen.
    Er lächelte. Es war doch immer wieder faszinierend, wie eindrucksvoll Dämonen über menschliche Körper herrschen konnten. Jetzt verzog sich der Mund, die hochgezogenen Lippen waren blau angelaufen, und Speichel troff aus dem Mundwinkel. Schwere, klebrige Worte schlugen Grim entgegen und dieser typische Gestank nach faulen Eiern, den Menschen ausatmeten, wenn sie von einem Dämon besessen waren. Grim hielt den schlaffen Körper ein Stück weiter von sich weg.
    »Da bist du ja«, stellte er fest. »Ich weiß, es muss für einen Parasiten wie dich sehr verlockend sein, sich pomadig in diesem Körper einzunisten und ihm nach Lust und Laune jedes einzelne Tröpfchen abzusaugen. Aber laut Paragraph dreihundertsiebenunddreißig des GBG ist es dir verboten, dich länger als nötig in einem Wirt zu befinden. Du raubst diesem hier seit sieben Tagen das Leben, und zuvor hast du zwei weitere ins Jenseits befördert, ein Vergehen, das mit achthundert Jahren Diamantfeuer geahndet wird. Bist du geständig?«
    Das Diamantfeuer war eine ziemlich unangenehme Art der Bestrafung. Für gewöhnlich mieden Dämonen Diamanten wie Menschen das Feuer, denn
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