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Greywalker

Greywalker

Titel: Greywalker
Autoren: Kat Richardson
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in Ordnung sei.
    Ich schluckte hart und blickte mich um. Es gab nur noch Dampf – ganz gewöhnlichen Dampf, der nach sauberem Wasser und ein wenig Fichte von der Holzbank duftete. Hier war keine Säule wirbelnden Lichts mehr und auch kein Drachenrauch, der nach Tod und Verwesung stank.
    Ich versicherte ihr, dass es mir gut gehe und ich anscheinend nur eingeschlafen sei. In Wahrheit war mir ein eiskalter Schauder über den Rücken gelaufen.
    Meine Viertelstunde in diesem Dampfbad war alles andere als erholsam gewesen.
    Ich hielt inne, um mich zu sammeln. Ernst sah ich den jungen Arzt an, der die Augenbrauen hob und geduldig darauf wartete, dass ich fortfuhr.
    Nach einer kurzen Pause begann ich mit der letzten Episode: »Ich wollte heute Morgen joggen gehen, aber ich schaffte es nicht, mich schneller als in einem langsamen Trott zu bewegen und das auch nur für einige Sekunden. Ich fühlte mich seekrank und roch seltsame Dinge, hörte merkwürdige Geräusche … Und dann diese verschwommenen Visionen … Immer wieder sehe ich Augen vor mir, Schatten, verrückte Dinge …« Ich rang nach Luft. »Und schlafen kann ich auch nicht mehr. Morgen stehen mir einige Termine mit Klienten ins Haus und ich muss an die Arbeit zurück. Man hatte mir hier gesagt, dass ich inzwischen wieder problemlos im Alltag funktionieren sollte. Aber das scheint nicht der Fall zu sein. Ich bin noch nicht wieder so gesund, wie mir ihr Kollege prophezeit hat. Oder vielleicht sind es ja die Tabletten, die diese Halluzinationen hervorrufen.«
    Dr. Skelleher blickte finster drein. Er hatte mich bereits mit verschiedenen Nadeln gepiekst und ich hatte das übliche Procedere mit dem hellen Licht und den kalten Instrumenten über mich ergehen lassen. »Es liegt nicht an den Tabletten«, erklärte er. »Ihre körperliche Verfassung ist so gut, wie sie sein sollte. Es gibt für mich keinen Grund, die ursprüngliche Diagnose Ihres Arztes anzuzweifeln – ganz abgesehen von meiner persönlichen Überzeugung, dass man nicht mehr als absolut nötig tun sollte. Ich glaube fest daran, dass Körper und Geist am besten wissen, was sie brauchen, und dass man sie die meiste Arbeit selbst machen lassen sollte.« Er warf einen weiteren Blick in meine Akten und verstummte.
    Nach einer Weile sah er mich erneut an. »Ich weiß, dass das alles sehr beunruhigend sei muss. Ein Schädeltrauma ist eine rätselhafte Angelegenheit und sehr schwer einzuschätzen. Unser Gehirn verfügt über eine unglaubliche Komplexität, wir erfahren täglich mehr darüber, aber wir wissen noch längst nicht alles. Und was wir unseren Geist nennen – hmm, das ist noch immer ein weitgehend unerforschtes Land. Es gibt viele Dinge, die unserer traditionellen westlichen Medizin etwas unheimlich sind. Alles, was mit Leben und Tod zu tun hat und den physischen und psychologischen Auswirkungen, die der Tod auf unseren Geist haben kann – also das so genannte Metaphysische – ist uns noch weitgehend fremd.«
    Sein letzter Satz brachte mich etwas aus der Fassung. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte ich. »Soll das heißen, dass ich … dass ich gestorben bin?«
    Er schenkte mir ein schiefes Lächeln. »Es hat Ihnen also noch niemand gesagt?«
    »Nein.«
    Er schüttelte den Kopf. »Oh je … Kein Wunder, dass Sie verwirrt sind. Für Fälle wie den Ihren gibt es normalerweise eine psychologische Betreuung. Aber die Kollegen haben es wahrscheinlich vergessen, was eigentlich kein Wunder ist, wenn man an die Polizei und den ganzen damit verbundenen Trubel denkt. Jetzt ist es wohl etwas spät, Ihnen die Nachricht schonend beizubringen. Lassen Sie mich versuchen, das Wichtigste zusammenzufassen. Laut Ihrer Akte waren Sie für fast zwei Minuten tot – ungefähr, bis das erste Notarztteam eintraf. Das hat Sie wieder ins Leben zurückgeholt, stabilisiert und ins Krankenhaus gebracht. Sonst ist nichts weiter passiert. Ihre Visionen sind bei Kopfverletzungen nicht untypisch. Manche haben etwas Probleme mit der Anpassung – zumindest manchmal –, während andere sehr seltsame Erfahrungen machen, aber da befinden wir uns schon auf diesem unheimlichen, mysteriösen Territorium, mit dem unsere Medizin nichts anzufangen weiß. Für solche Fälle gibt es, wie gesagt, eine spezielle psychologische Betreuung, falls Sie daran Interesse haben sollten …«
    Ich schüttelte hastig den Kopf und prompt wurde mir schwindelig. Ich stöhnte.
    Dr. Skelleher runzelte die Stirn. »Könnten Sie bitte für einen Moment in mein
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