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Grete Minde

Grete Minde

Titel: Grete Minde
Autoren: Theodor Fontane
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heran sein, als sie Rast machte, weniger um ihret- als um des Kindes willen. Und sie gab ihm zu trinken. Das war dicht am Rande des Waldes, wo zwischen anderem Laubholz auch ein paar alte Kastanien ihre Zweige weit vorstreckten. Die Straße verbreiterte sich hier, auf eine kurze Strecke hin, und schuf einen sichelförmigen Platz, an dessen zurückgebogenster Stelle halbgeschälte Birkenstämme lagen, hinter denen wieder ein Quell aus Moos und Stein hervorplätscherte. Hier saß sie jetzt, und um sie her lagen abgefallene Kastanien, einzelne noch in ihren Stachelschalen, die meisten aber aus ihrer Hülle heraus und braun und glänzend. Und sie bückte sich, um einige von ihnen aufzuheben. Und als sie so tat und ihrer immer mehr in ihren Schoß sammelte, da sah sie sich wieder auf ihres Vaters Grab und Valtin neben sich, und sie hing ihm die Kette um den Hals und nannt ihn ihren Ritter. War es doch, als ob jede Stunde dieses Tages Erinnerungen in ihr wecken sollte, süß und schmerzlich zugleich. »Alles dahin«, sagte sie. Und sie stand auf und schüttete die Kastanien wieder in das Gras zu ihren Füßen.
    Sie hing ihren Erinnerungen noch nach, als sie das Klirren einer Kummetkette hörte und gleich darauf eines Gefährtes ansichtig wurde, das, von derselben Seite her, von der auch sie gekommen, um die Waldecke bog. Es war eine Schleife mit zwei kleinen Pferden davor, und ein Bauer vorn auf dem Häckselsack. Auch hinter ihm lagen Säcke, mutmaßlich Korn, das er zu Markt oder in die Mühle fuhr. Grete trat an ihn heran und frug, ob er sie mitnehmen wolle. »Eine kleine Strecke nur!«
    »Dat will ick jiern. Stejg man upp, Deern.«
    Und Grete tat's und setzte sich neben ihn, und sie fuhren still in den Wald hinein. Endlich sagte der Bauer: »Kümmst vun Arendsee?«
    »Ja«, sagte Grete.
    »Denn wihrst ook in 't Kloster? Jott, de oll Domina! Fiefunneijentig. Na, lang kann't joa nich mihr woahren. Un denn kümmt uns' Ils ran. De wahrd et.«
    »Kennt Ihr sie?«
    »I, wat wihr ick se nich kenn'? Ick bin joa van Arnsdörp, wo se bührtig is. Un wat mien Voaders-Schwester is, de wihr joa ehr Amm. Un achters hett se se uppäppelt. Un de seggt ümmer: ›Ils is de best! Un so groot se is, so good is se. Un doaför wahrd se ook Domina.‹«
    Und danach schwiegen sie wieder, und nichts als ein paar blaue Fliegen summten um sie her, und die Schleife malte weiter durch den Sand. Nur wenn dann und wann eine festere Stelle kam, wo Moos über den Weg gewachsen war oder wo viel Kiefernadeln lagen, über die die Fuhre glatter hingleiten konnte, gab der Bauer einen Schlag mit seiner Leine und ließ die mageren Braunen etwas schneller gehn. Und man hörte dann sein Hü und Hott und das Klappern der Kette.
    »Wo wisten hen?« nahm er endlich das Gespräch wieder auf.
    »Nach Tangermünd.«
    »Na'h Tangermünd. Oh, doa wihr ick ook. Awers dat geiht nu all in 't dritt o'r vörte Joahr, as uns' Herr Kurförst doa wihr un dat grote Foahnenschwenken wihr, mit Äten un Jublieren. Un allens boaben up de Burg. Joa, doa wihr ick ook, un ümmer mit damang. Awers man buten.«
    Grete nickte, denn wie hätte sie
des
Tages vergessen können! Und so plauderten sie weiter und schwiegen noch öfter, bis eine Stelle kam, wo der Weg gabelte. »Hier möt ick rechts aff«, sagte der Bauer.
    Und Grete stieg ab und wollt ihm eine kleine Münze geben.
    »Nei, nei, Deern, dat geiht nich. O'r bist 'ne Fru?«
    Sie wurde rot, aber er hatt es nicht acht und bog nach rechts hin in den Feldweg ein.
    Es war noch zwei Stunden Wegs, und Grete, die sich von der Anstrengung des Marsches erholt hatte, schritt wieder rüstiger vorwärts. Auch die Schwüle ließ nach; ein Wind ging und kühlte die Luft und ihr die Stirn. Und sie hatte wieder guten Mut und gefiel sich darin, sich ihr künftiges Leben auszumalen. Aber sonderbar, sie begann es immer vom andern Ende her, und je weiter es ab und in allerfernste Zukunft hineinlag, desto heller und lichter erschien es ihr. Als aber zuletzt ihre Gedanken und Vorstellungen auch auf das Nah- und Nächstliegende kamen und sie sich in Gerdts Haus eintreten und die Knie vor ihm beugen sah, da wurd ihr wieder so bang ums Herz, und sie hatte Mühe, sich zu halten. Und sie nahm das Kind und küßte es. »Es muß sein«, sagte sie, »und es
soll
sein. Ich hab es ihm versprochen, und ich will es halten und will Demut lernen. Ja, ich will um einen Platz an seinem Herde bitten und will seine Magd sein und will mich vor ihm niederwerfen. Aber« –
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