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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)
Autoren: Ruth Berger
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    Eine Schwesternfehde soll er also schlichten. Parbleu! Das ist ja nicht zu glauben. Dr.   Siegner wirft einen verärgerten Blick auf den Brand, den er doch eigentlich schätzt, und sieht, wie der Sergeant inzwischen ein wenig blass und unglücklich wirkt unter seiner pflichtbewussten Miene. Offenbar dämmert ihm, dass er sich hier, mit Verlaub, eine echte, saublöde Dummheit geleistet hat. Dr.   Siegner ist sofort wieder milder gestimmt dem Brand gegenüber. Zumal zu vermuten ist, dass die Dummheit nicht auf dem Mist vom Brand allein gewachsen ist. Vielmehr werden die Weiber aus seiner Familie, als da sind die anwesende Cousine Königin sowie höchstwahrscheinlich seine, des Brands, Ehefrau, ihm gehörig zugesetzt haben, dass er am Ende kaum anders konnte, als die zänkische Cousine mit ihrer Anzeige zum Jüngeren Bürgermeister zu begleiten.
    Nun, bitt schön, er wird die Komödie vorläufig weiter mitspielen. Seufzend greift er neuerlich zur Feder.
    «Name der Schwester?»
    «Susanna Margaretha Brandin.»
    «Will heißen, die Schwester ist unverheiratet?»
    «Ganz recht.»
    «Soso. Und wessen ist nun die Denunziata verdächtig?»
    «Die Susann», souffliert der Sergeant Brand seiner Cousine, «was soll sie getan haben?»
    Doch die Königin hat ohnehin sehr gut verstanden. Die Antwort kommt rasch, laut und deutlich:
    «Meine Schwester, die Susann, ist verdächtig, dass sie heimlich ein Kind geboren und beiseitegeschafft hat.»
    Dr.   Siegner hüstelt erstickt, beinahe wär ihm das lavendelparfümierte Bonbon in die Kehle gerutscht. Er wünscht das Zuckerzeugs zum Teufel und sieht jetzt zum ersten Mal der Ursula Königin ganz genau ins Gesicht. Lederne Haut sieht er, einen breiten Mund mit eifrig schon zum nächsten Sprechen gespreizten Lippen, eine kleine Warze rechts am Kinn und gelblichbraune Schatten unter den Augen. Derweil fällt ihm auf, dass er, obwohl er obenherum schwitzt, kalte Füße bekommt. Er hätt doch zumindest die Strümpfe wieder anziehen sollen. Verstohlen reibt er den rechten Fuß über den linken.
    Warum sie denn, fragt er die Königin, ihre Schwester einer solchen Tat verdächtige? Welche Gründe sie hierfür habe?
    Die Königin überschlägt sich fast: Heute Morgen habe sie bei der Brotherrin von der Susann eine Blutlache im Holzstall gefunden, und die Susann habe sich daraufhin aus dem Staub gemacht, und der dicke Bauch von der Susann, der sei diesen Sommer das Stadtgespräch gewesen, und sie, die Königin, habe sich allerlei Beleidigungen anhören müssen wegen dem Bauch von der Susann, wiewohl sie weiß Gott sich stets viel Mühe mit der Erziehung ihrer kleinen Schwester gegeben habe, und übrigens habe sie die Susann wegen dem dicken Bauch zur Rede gestellt, und das Mensch habe standhaft geleugnet, schwanger zu sein. Und in dem Holzstall habe man bisher kein Kind gefunden, doch es liege ihr am Herzen, dass dies alles nunmehr amtlich zur Anzeige gebracht und untersucht werde.
    Während der hektischen Rede der Königin ist es dem Jüngeren Herrn Bürgermeister gelungen, den Rest des verteufelten Bonbons kleinzubeißen und hinunterzubringen. Noch zweimal schluckt er hinterher, um den übersüßen Nachgeschmack und ein leichtes Würgen in der Kehle loszuwerden. Innerlich leistet er dem Brand Abbitte und verflucht das Schicksal, dass ausgerechnet in dem Jahr, da er als Jüngerer Bürgermeister amtet, eine Kindsmordssache der Stadt zu blühen scheint. Himmel! Als seien nicht all seine anderen eiligen Amtsgeschäfte genug. Und nun so ein stinkendes kleines Skandalon auf dem Tisch. Er entsinnt sich an dergleichen Fälle aus der Vergangenheit. Zum Beispiel damals, als er gerade erst ein paar Jahre als Advokat tätig war und noch unverheiratet, der Aufruhr, die Soldaten, diese blasse Person auf dem Schafott − ach, er mag gar nicht daran denken, wie viel Nerven, Plackerei und Ärger ihn, als Leiter des Peinlichen Verhöramtes, dergleichen kosten könnte.
    Aber noch ist es ja nicht an dem. Keineswegs, beruhigt er sich, da nämlich erstens die des Verbrechens Verdächtige offenbar längst aus der Stadt und zweitens ein Corpus delicti nicht vorhanden ist. Das treibt, wenn es denn eins gibt, wahrscheinlich Richtung Höchst den Main hinunter und wird nie gefunden werden. Also bittschön, was soll denn da passieren! Ein Protokoll, ein paar Nachforschungen bei dieser Dienstherrin der Susanna Brandin, und das war’s.
    Und während sich der Dr.   Siegner mit dem Zeigefinger unter der
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