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Grenzgaenger

Grenzgaenger

Titel: Grenzgaenger
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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sonntags in die Kirche. Kleine Spende an ‹Misereor›, und schon war das Gewissen beruhigt. Da kommt ihr alle aus euren warmen Betten gekrochen und wisst ganz genau, wo’s langgeht: dick und satt.
    Wut stieg in ihm auf. Er rülpste laut und lange.
    Diese Wichser in Moers gestern. Free-Jazz-Festival, dass ich nicht lache! Die reine kommerzielle Scheiße. Aasgeier, wie alle anderen auch. Bei diesen Menschenmassen dort hatten die doch ihren Gewinn längst gemacht. Es hätte sie nicht umgebracht, wenn sie mich ohne Karte reingelassen hätten. Profitgeil, alle, wie sie da waren. Alles drehte sich um den Mammon, der Tanz ums goldene Kalb. Und geizig bis in den Tod, geizig auch mit Gefühlen für alle, die ihre Regeln nicht akzeptieren, für alle, die sich Umwege erlauben, die menschlich bleiben. Über solche rümpft ihr die Nase, solche existieren eigentlich gar nicht.
    Aber bevor die mich auslöschen, muss noch einiges passieren. Ich lasse mich von keinem mehr runtermachen wie ein Stück Dreck, von keinem mehr fallenlassen, von keinem mehr ignorieren. Ihre Wahrheit habe ich mir lange genug angehört. Jetzt hören die mal zu!
    Auch die Martini hatte noch was an ihm gutzumachen.
    Jede Menge hat die an mir gutzumachen!
    Die Wohnung, die sie hat, ist verdammt groß, und reichlich zu fressen hat sie auch. Wohlstand, dick und fett und satt – die auch –, aber eingetrocknet im Hirn und im Herzen.
    Die hat mich nicht reingelassen gestern! Diese frigide Zicke. Der Laden lief ihr damals nicht gut genug – ha! –, dass ich nicht lache! Bloß nicht teilen, bloß nichts abgeben vom großen Kuchen, den fetten Reibach alleine einstecken. Das war’s doch. Und jetzt sitzt sie auf ihren Geldsäcken und hat es nicht einmal nötig, mir die Tür zu öffnen. Aber so einfach geht das nicht. Sie wird teilen, so kommt sie mir nicht davon.
    Als er entschlossen zum Zündschlüssel griff, klopfte es hart gegen die Seitenscheibe.
    Polizeiobermeister Flintrop öffnete die Autotür von außen. «Morgen. Na, dann zeigen Sie uns mal Ihre Papiere.»
    Küsters zog ironisch die Mundwinkel hoch, fingerte langsam seinen zerfledderten Führerschein aus der Parkatasche und hielt ihn dem Polizisten hin.
    Flintrop stand breitbeinig vor der offenen Tür und rümpfte die Nase. «Hier stinkt’s ja wie im Scheißhaus.»
    Dann faltete er mit spitzen Fingern den Führerschein auseinander. Er schaute Küsters abfällig an und grinste dann so breit es ihm möglich war.
    «Hein!», rief er seinem Kollegen im Polizeiauto zu, ohne den Blick von Küsters abzuwenden. «Sieht so aus, als hätten wir einen ganz großen Fang gemacht.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Siebenundzwanzig
    «Du siehst ganz verändert aus. Irgendwie so …», van Appeldorn betrachtete ihn sinnierend. «Ich weiß auch nicht. Irgendwie anders.»
    «Ja, ja, ich weiß schon», entgegnete Toppe grimmig, «jetzt fallen die Hamsterbacken und das Doppelkinn erst richtig auf.»
    Aus einem plötzlichen Impuls heraus hatte er sich vorgestern den Bart abgenommen. Ein bisschen nackt fühlte er sich noch, nicht richtig in sich zu Hause. Dabei war nach der ganzen Rupferei der letzten Wochen wirklich nicht mehr viel von der Pracht übrig gewesen.
    «Trotzdem, es musste einfach mal sein. Zwanzig Jahre lang ewig das gleiche Gesicht.»
    Seit gestern ging es ihm wieder gut. Seit gestern durfte er nämlich aufstehen, musste nicht mehr in diesem Bett liegen und die Decke anstarren. Er fühlte sich beinahe beschwingt, dass er die Operation hinter sich hatte und nun fast auch den Krankenhausaufenthalt.
    Van Appeldorn hatte ihn regelmäßig alle drei Tage besucht und ihm Geschenke mitgebracht: einen Blumenstrauß, eine Schale mit Obst, roten Traubensaft.
    Toppe machte sich nichts aus Blumen, und roten Traubensaft hatte er nie gemocht, aber er erinnerte sich verschämt daran, dass auch er die gleichen Dinge schon oft zu Krankenbesuchen mitgebracht hatte.
    Schwachsinnig eigentlich, es war ihm vorher noch nie aufgefallen.
    Krankenhäuser veränderten die Leute. Nicht nur die Kranken, die dort lagen und sich hilflos und fremd fühlten – festgelegt und konzentriert auf ihren Fuß, ihr Herz, ihren Darm –, auch die Besucher waren anders als im normalen Leben.
    Selbst der sichere, lockere und gern ironische van Appeldorn saß unbequem gerade auf seinem Stuhl Toppe gegenüber.
    «Ich habe übrigens hier eine Diät angefangen», kurbelte Toppe das Gespräch wieder an. «Mindestens zwanzig Kilo will ich bis zum Urlaub
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