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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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den Händlern und den Maklern auf dem Börsenparkett begreifen müssen, dass es darauf nur selten eine eindeutige Antwort geben kann. Im günstigsten Fall gibt es mehr oder weniger konkrete Hinweise, die in die eine oder andere Richtung deuten, nicht selten aber führen gerade diese Informationen in die Irre. Zwar erfahren die Anleger hin und wieder aus den Medien, aus welchen Gründen und mit welchem Kursziel diese oder jene Analyseabteilung eines deutschen Kreditinstitutes oder eines internationalen Wertpapierhauses eine Aktie empfiehlt oder vor ihr warnt, aber allzu häufig gelangen derartige Empfehlungen zu spät in die Öffentlichkeit. Der Börsenzug ist dann unter Umständen längst schon wieder in die andere Richtung unterwegs. Ein Schelm, wer dahinter ein System vermutet. Zahllose Informationsdienste, Bücher, tiefschürfende wissenschaftliche Abhandlungen oder auch Kaffeesatzleser, Sterndeuter und ähnliche Wahrsager bieten zusätzlich eine Flut von Börseninformationen an, in der nicht nur der ungeübte, naive Kleinanleger zu ertrinken droht.
     
    Was mich immer wieder irritiert, ist die Exaktheit bis hinter dem Komma, mit der bisweilen Börsenanalysten oder Börsen-Gurus ihre Aussagen treffen: über das Ausmaß der bevorstehenden Korrektur nach unten, über mögliche Trendwenden an genau definierten Unterstützungs- |12| oder Widerstandslinien. Computer werden mit Erkenntnissen komplizierter mathematischer Kapitalmarkttheorien gefüttert, die vorgeblich alle relevanten Daten bei der Kursfindung beachten und daher in der Lage sein sollen, den »richtigen«, den »fairen« Kurs zu bestimmen. Die mathematische Formulierung, mit der beispielsweise nach der Black & Scholes-Methode der »faire Wert« eines Optionsscheines errechnet wird, berücksichtigt zahlreiche Parameter, die alle mit der Option zusammenhängen, also dem Basispreis, dem Aktienkurs und seiner Schwankungsbreite, ausgedrückt als Wert der kumulierten Standardnormalverteilung, dem Verfallstermin, dem risikolos erzielbaren inländischen Zinssatz und schließlich noch der Dividendenrendite der Aktie, die dem Optionsschein zugrunde liegt. Kaum einer meiner Gesprächspartner auf dem Parkett kann mir die Formel aufschreiben. Das sei auch gar nicht notwendig, heißt es, denn die Computer in der Bank erledigen diese Aufgaben für die überforderten Profis auf dem Börsenparkett.
    Das Dumme ist nur, dass diese Computerergebnisse, die in ihrer centgenauen Exaktheit dahergestelzt kommen, höchst selten mit den tatsächlichen Kursen auf dem Parkett übereinstimmen. Denn leider kennen oder begreifen nicht alle Anleger diese Theorien, sodass sich die Kurse an den Börsen häufig ganz anders entwickeln als von den Wissenschaftlern vorherbestimmt. Und selbst wenn sich alle danach richteten, würden die theoretisch berechneten Abläufe an den Kapitalmärkten gerade deswegen sehr schnell zusammenbrechen. An einer Einsicht kommt nämlich kein Theoretiker vorbei: An den Aktienbörsen handeln vor allem Individuen, die sich höchstens nur sehr kurzfristig von den mathematischen Modellen beeinflussen lassen. Wenn aber nicht alle Marktteilnehmer in den Bahnen laufen, die ihnen von Kapitalmarkttheoretikern vorgegeben werden, wenn sie zu rationalem Handeln nicht bereit oder fähig sind, dann scheitert die »virtuelle Börse« an der Praxis.
    Doch die Wissenschaftler in den Hochschulinstituten und die teuer eingekauften Mathematiker in den Analystenstuben der Kreditinstitute geben natürlich so schnell nicht auf: Wenn die Anleger im Sinne dieser Theorien »Fehler« machen, sich also nicht so verhalten, wie es die Modelle vorsehen, dann müssen halt diese »falschen« |13| Verhaltensweisen in den Modellen berücksichtigt werden. Und schon stimmt’s wieder – zumindest in der Theorie. Dennoch hält sich auf dem Parkett der Frankfurter Präsenzbörse das Vertrauen in diese modelltheoretischen Überlegungen in Grenzen. Von nachweisbaren Erfolgen an den Terminbörsen, die bei ihrem Handel im Sekundentakt auf exakte Befehle für ihre Computerprogramme angewiesen sind, hört man nicht allzu viel. Die milliardenschwere Schieflage des renommierten Hedgefonds Long-Term Capital Management mit seinen nobelpreisgekrönten Beratern hat im Herbst 1998 meine Skepsis bekräftigt. Und dass Wissenschaftler, die diese Kapitalmarkttheorien entwickeln, laut Hörensagen für ihre eigenen Anlagestrategien auf Althergebrachtes, wie zum Beispiel die Fundamentalanalyse, zurückgreifen, ist wohl
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