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Greife nie in ein fallendes Messer

Greife nie in ein fallendes Messer

Titel: Greife nie in ein fallendes Messer
Autoren: Friedhelm Busch
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Rentenmarkt. Die Kurse fielen, die Renditen schossen senkrecht nach oben. Der Oktober-Crash 1987 stand unmittelbar vor der Tür.
    Eine Woche lang hatte US-Finanzminister Baker voller Zorn sinkende Aktienkurse an der Wall Street und steigende Zinsen auf den amerikanischen Finanzmärkten zur Kenntnis nehmen müssen, und das alles, weil das amerikanische Handelsbilanzdefizit für August nur leicht auf 15,68 Milliarden US-Dollar abgenommen hatte. Im Juli hatte es noch bei 16,47 Milliarden US-Dollar gelegen. Den Börsianern war dieser geringe Rückgang zu wenig. Sie sahen darin ein Unvermögen der eigenen Regierung und senkten den Daumen. Die wahren Schuldigen für diese missliche Lage glaubte Baker genau ausmachen zu können. Für ihn saßen sie in Deutschland, genauer gesagt, in der Frankfurter Bundesbank. Die restriktive Zinspolitik der deutschen Währungshüter war aus seiner Sicht verantwortlich für die weltweite Furcht vor steigenden Zinsen und die schleppende Erholung der amerikanischen Wirtschaft.
     
    Am 16. Oktober nachmittags, es war ein Freitag, und die meisten deutschen Börsianer hatten sich schon längst ins Wochenende verabschiedet, zündete US-Finanzminister James Baker die Bombe, die die deutsche Börse für Monate in ihren Grundfesten erschüttern sollte. In der Fernsehsendung »Meet the Press« des US-Senders NBC antwortete er dem Reporter auf die Frage nach seiner Reaktion auf die schwachen US-Finanzmärkte: »In diesem Lande werden wir nicht zusehen, wenn Überschussländer ihre Zinsen heraufsetzen und weltweit Wachstum abwürgen in der Erwartung, dass die USA dem irgendwie folgen und ihre Zinsen ebenfalls erhöhen.«
    An die Adresse der Deutschen Bundesbank gewandt, drohte er außerdem mit einer Aufkündigung der gemeinsamen Devisenkurspolitik |24| , die die westlichen Industrienationen noch im Februar im sogenannten Louvre-Akkord feierlich vereinbart und bei ihrem jüngsten Treffen in Washington noch einmal bekräftigt hatten. Mit anderen Worten, die amerikanische Regierung werde nichts tun, um den US-Dollar gegenüber der D-Mark zu stützen, vor allem werde sie nicht die Zinsen erhöhen, wie die Finanzmärkte wohl befürchtet hatten. Dies war ja ein zusätzlicher Grund für die Schwäche an den amerikanischen Bondmärkten.
    Mit seinen Äußerungen wollte Baker die Bundesbank zu einer Änderung ihrer Zinspolitik bewegen und gleichzeitig den US-Finanzmärkten die Furcht vor amerikanischen Zinserhöhungen nehmen. Eine Kalkulation, die gründlich danebenging. Die Wall Street interpretierte die Baker-Äußerungen als Kriegserklärung an die Deutsche Bundesbank und als Beginn einer Talfahrt für den US-Dollar, der über kurz oder lang doch durch höhere Zinsen würde gestützt werden müssen. In einem vorher nie erlebten Tempo stürzte der Dow Jones in den Keller. Kurz nach Börsenbeginn, gegen 11:30 Uhr Ortszeit, sackte die Börse bei Rekordumsätzen um 210 Indexpunkte nach unten. Computergesteuerte Programme reagierten auf die ersten deutlichen Kursverluste so, wie man es ihnen eingegeben hatte: Sie lösten beim Erreichen bestimmter Kursuntergrenzen umfangreiche Depots auf, um die Eigentümer dieser Aktienbestände vor weiteren Verlusten zu schützen. Diese computergesteuerten Verkaufsprogramme lösten einen zusätzlichen Kursrückgang aus, der wiederum weitere Verkaufsprogramme in Gang setzte.
    Natürlich waren nicht alle Börsianer unglücklich über den Ausverkauf an der Wall Street. Manch einer von ihnen hatte bei der Kurseuphorie der vergangenen Monate auf eine überfällige Konsolidierung an der Börse gesetzt, also auf sinkende Kurse gehofft und sich an der Terminbörse entsprechend verhalten. Aus der Gerüchteküche an der Wall Street wurde den Pessimisten ein zusätzliches Schmankerl serviert: Im Golfkonflikt mit dem Iran, so hieß es plötzlich auf dem Parkett, sei es zu einer Verschärfung der Lage gekommen, der Iran plane eine Kriegserklärung an die USA. In panischer Angst vor einer Katastrophe am Aktienmarkt spielte die Börsenaufsicht sogar mit dem Gedanken, den Börsenhandel zu stoppen. Bevor man aber den |25| Stecker zog, kam es zu technisch bedingten Gegenbewegungen. Der Dow Jones schloss dennoch mit einem Verlust von 108,36 Punkten bei 2 246,73. Das war ein Tagesrekord in der Geschichte des weltbekannten Index.
    Aber immerhin ein Börsenschluss über den Tagestiefstständen! Ein gutes Omen also für den kommenden Montag an der New Yorker Börse? War die Krise vielleicht schon
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