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Grappa 17 - Grappa und die Nackenbeisser

Grappa 17 - Grappa und die Nackenbeisser

Titel: Grappa 17 - Grappa und die Nackenbeisser
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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dran.
    Burgruine! Das passte zu einer Frau, die sich literarisch gern im Hochadel tummelte. In unserer Gegend waren Burgen eine Rarität. Die meisten ›Burgen‹, die es in Bierstadt gab, gehörten Versicherungskonzernen, Energieriesen und Banken.
    Zum Glück war das Wetter frühlingshaft warm, sogar die Linden blühten schon. Sie säumten die Ausfallstraße nach Berghofen und ihr Geruch wehte mir in die Nase. Plötzlich überkam mich ein wunderliches Gefühl von Freiheit und ich hätte immer weiterfahren mögen in den Süden – der Wärme, dem Licht und dem Mittelmeer entgegen.
    Grappa, du bist zur Schreibtischtäterin mutiert, dachte ich, kaum schnupperst du frische Luft, kriegst du schon Urlaubsträume.
    Nun musste ich links abbiegen. Die Straße wurde immer schmaler und steiler, links hatte ich einen freien Blick auf die Silhouette der Stadt: Der Hoesch-Gasometer schimmerte grünlich in der Sonne, der Florianturm streckte sich dem Himmel entgegen und hier und da spitzte sich ein Kirchturm in die Luft.
    Die Bauweise der Häuser hatte sich geändert. Alte Bruchsteinhäuser, denen die Jahre der Emissionen durch die Stahlindustrie heftig zugesetzt hatten, lagen in den Hügeln verstreut – die Steine schwarzgrau gedunkelt.
    Die Straße zum Haus der Schriftstellerin war eng und prompt kam mir ein Trecker entgegen. Obwohl er nach den tradierten Regeln der Straßenverkehrsordnung hätte ausweichen müssen, bewegte sich das Ungetüm direkt auf mich zu. Die Geste des Bauern auf dem Bock war unmissverständlich: Ich befand mich in einer Gegend, in der Männer grundsätzlich Vorfahrt hatten. Ich beugte mich der Diktatur des bäuerlichen Machismo und setzte mein Auto in eine Einfahrt, damit der Riese vorbeikonnte. Der Typ würdigte mich keines Blickes und konnte deshalb auch meinen ausgestreckten Mittelfinger nicht sehen.
    Ich erreichte Lilo von Berghofens Adresse. Überrascht musterte ich das Gebäude. Ein solches Haus hatte ich noch nie gesehen: Es hatte die Form eines Tunnels, dessen Öffnungen verglast worden waren. Dunkle Holzbalken strukturierten die Glasfronten und gaben ihnen Stabilität. Das Dach war kein Dach, sondern eine grüne Landschaft aus dickem Gras.
    Im Vorgarten blühten dunkelblaue Schwertlilien, lila Rhododendren und pinkfarbene Strauchrosen. Rechts und links vom Haus befanden sich riesige Steinquader, sodass es aussah, als würde das Hügelhaus zwischen den Blöcken herauswachsen. Das Gebäude schien wie eine Mischung aus Hexenhaus und Fuchsbau.
    Ich parkte leicht verkehrsbehindernd und stieg aus. Hinter der Glasfront im Erdgeschoss versperrten weiße Gardinen die Sicht, oben war eine offene Galerie zu erkennen.
    Ein grob gepflasterter Weg führte zur Tür. Auf einem Messingschild las ich die Initialen L. v. B., den Klingelknopf entdeckte ich direkt darunter. Ich drückte lange und hörte die Glocke durch das Haus schallen.
    Keine Reaktion. Lilo von Berghofen war entweder nicht da oder sie legte auf Besucher keinen Wert.
    In die Tür waren in tabellarischer Ordnung Zahlen geritzt worden:
    16 – 3 – 2 – 13
    5 – 10 – 11 – 8
    9 – 6 – 7 – 12
    4 – 15 – 14 – 1
    Was das wohl zu bedeuten hatte? Egal.
    Sollte ich eine Nachricht im Briefkasten hinterlassen? Meine Visitenkarte unter der Tür durchschieben? Oder später noch mal wiederkommen?
    Ich holte mein Handy heraus, wählte von Berghofens Nummer und vernahm gleich darauf Telefongebimmel.
    Neben dem Hügelhaus lag ein Feld mit Raps, der kurz vor der Blüte stand. Ein Maschendrahtzaun markierte die Grenze zwischen Feld und dem Garten der Schriftstellerin.
    Ich stiefelte am Zaun entlang. So erhielt ich einen Blick auf die Rückfront des Hauses. Es musste viel Raum bieten, denn im Kellergeschoss waren weitere Zimmer, ebenerdig zum Garten. Das Schönste auf dem Anwesen aber war ein riesiger, weiß blühender Kirschbaum, dessen Krone hoch über das Grasdach ragte. Hunderttausende von Blütenblättern bedeckten die Terrasse und einen Holzbalkon, von dem aus eine Treppe in den Garten führte.
    Der Garten hatte alles, was ein Bauerngarten haben musste: Äpfel, Birnen, Pflaumen, Rosen, Lavendel und Himbeeren.
    Unter meinem Fuß zerbarst mit einen lauten Krachen ein Zweig. Aufgeschreckt erhob sich ein Schwarm schwarzer Vögel vom Feld und kreiste um das Haus. Ich verfolgte ihren Flug. Auf einmal gab es einen Knall und ich sah, wie aus der Höhe des Grasdaches ein dunkler Fleck herabfiel. Ein Vogel war gegen die Scheibe geprallt. Armes Tier.
    Ich
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