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Grappa 07 - Killt Grappa

Grappa 07 - Killt Grappa

Titel: Grappa 07 - Killt Grappa
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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mehr, um einen besseren Bildausschnitt zu bekommen. Nik saß vor Baißers Lager. Der Verletzte hatte seine Hand in Kodils Unterarm gekrallt und hielt ihn fest. Überall waren Schläuche.
    »Nein, bleib hier«, flüsterte Baißer. »Ich hab die Sache verdrängt. Jahrelang nicht dran gedacht. Doch dein Blick hat sich in mein Gehirn gefressen.«
    »Ich will nichts hören«, brauste Nik auf. Ich beobachtete, wie er sich erhob.
    »Sag, dass du mir verzeihst!«, forderte Baißer.
    »Es ist so lange her«, wich Nik aus. Dann entdeckte er mich. Er drückte mich auf den Flur zurück.
    »Was willst du hier?«, schnauzte er mich an. Ich bemerkte, dass Tränen über seine Wangen liefen.
    »Ich muss dich sprechen.«
    »Jeder will mich heute sprechen. Könnt ihr mich nicht alle mal in Ruhe lassen?«
    »Bitte, Nik. Reg dich nicht auf. Willst du ein Papiertaschentuch?«
    »Nein«, sagte er unfreundlich. »Wieso weiß Baißer Bescheid?«
    »Ich hab's mal angedeutet«, gab ich zu.
    »Was hast du?« Er war außer sich.
    »Baißer hat was von Frauen wie mir erzählt, die früher zu Recht als Hexen verbrannt worden seien. Da hab ich eine Bemerkung über seine Geheimnisse gemacht. Tut mir leid.«
    Nik machte eine wegwerfende Handbewegung, die sagen sollte, dass sowieso alles egal sei.
    »Warum wollte er dich sprechen?«, wollte ich wissen.
    »Er merkt wohl, dass es mit ihm zu Ende geht. Da will er reinen Tisch machen.«
    »Das tut mir leid. Es hieß doch, er sei über den Berg.«
    »Die Wunde hat sich entzündet, und er hat ein schwaches Herz.«
    Eine Weile gingen wir schweigend nebeneinander. Der Weg zum Parkplatz der Unfallklinik führte durch einen schön angelegten Garten. Goldgelbes und rostbraunes Laub bedeckte Pfade und Rasen.
    »Der Schuss, der ihn getroffen hat, galt dir«, erinnerte ich Nik.
    »Na und?«, regte sich Kodil auf. »Ich hab ihn nicht gebeten, sich vor mich zu werfen.«
    »Ich weiß«, sagte ich mild. »Er hat es bestimmt nicht bewusst getan. Um dich zu schützen. Es war eine Art Reflex, schätze ich.«
    »So sehe ich das auch. Er ist ein Scheißkerl.«
    »Du hast recht«, stimmte ich zu, »das ist er. Ein verdammter Scheißkerl.«
    »Er hat meine Eltern getötet und auch mein Leben kaputt gemacht. Ich kann ihm nicht vergeben.«
    »Das verstehe ich. Vielleicht kannst du's später mal.«
    Wir waren bei Niks Dienstwagen angekommen. »Warum wolltest du mich eigentlich sprechen?«, fragte Kodil.
    »Ich weiß, wer der Hohepriester der Fraternitas saturn i ist.«

Kirchgang
    Es war Sonntag. Ich beobachtete die Kirche, in der Pater Joseph in wenigen Minuten antreten musste, um das Hochamt zu zelebrieren. Diese Heilige Messe war die wichtigste des Tages. Männer, Frauen und Kinder trudelten nach und nach ein, um Gott anzubeten.
    Auch für mich war der sonntägliche Kirchgang einmal Pflicht gewesen. Die Bänke in der kleinen Kirche waren hart und glänzend, die Lieder traurig und wunderschön, die Gläubigen mehr oder weniger andächtig.
    Als Jugendliche nutzte ich das Hochamt zu philosophischen Betrachtungen im Hinblick auf die Gattung ›Homo sapiens‹. Da war der Chefarzt gewesen, der mit Gattin und Tochter anrauschte und dem eine vordere Bank reserviert war, weil er die Kirche mit Spenden unterstützte. Oder die Nachbarin, die werktags auf ihre Arme gestützt im Fenster lag und alles mitbekam, was in der Nachbarschaft geschah. Die mich anschwärzte, als ich mit 17 den ersten Freund mit nach Hause schleppte, während meine Eltern übers Wochenende weggefahren waren.
    Der Chefarzt hatte an einem Ostersonntag wütend die Kirche verlassen, als ich es gewagt hatte, mich auf seine reservierte Bank zu knien. Er war unfähig, Gott außerhalb seiner Bank zu preisen. Und die Nachbarin war irgendwann einsam gestorben, verlassen – auch von ihrem Sohn, den sie abgöttisch geliebt hatte – und der mir während meiner Jugendzeit als Vorbild eines guten Kindes vorgehalten worden war.
    Katholische Religion hatte für mich immer Unterdrückung, Lebensfeindlichkeit, Bigotterie und Heuchelei bedeutet. Aber auch Trost, geheimnisvolle Rituale und moralische Werte, die versuchten, den Menschen aus einem Leben von Schlechtigkeit, dunklen Trieben, Eigennutz und Bösartigkeit zu befreien.
    Endlich schloss sich die schwere Kirchentür. Die Orgel dröhnte ihr erstes Kirchenlied. Es schwoll an wie eine Brandung, bedrohlich und innig zugleich.
    Ich wandte mich ab und schlenderte zum Pfarrhaus, das sich im Schatten des Kirchturms duckte. Mein Herz
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