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Grappa 03 - Grappa macht Theater

Grappa 03 - Grappa macht Theater

Titel: Grappa 03 - Grappa macht Theater
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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der Gegend herumstanden? Ich musste dringend darüber nachdenken.
    Höfnagel lag auf dem Rücken, seine linke Schulter war verbunden. Die Farbe seines Gesichtes harmonierte Ton in Ton mit der weiß gestrichenen Zimmerwand. Der Blick war nicht so klar wie üblich. Auf dem Nachttisch sah ich ein Schälchen mit vielen bunten Pillen.
    »Wie geht es dir denn? Hast du Schmerzen?«
    »Nicht, wenn ich meine Tablette nehme. Was gibt es Neues?«
    Ich erzählte ihm die wahre und unspektakuläre Geschichte von Nellos Tod.
    »Also kein beleidigter Schauspieler, gekränkter Regisseur oder eitler Schriftsteller, sondern eine Familientragödie. Schade für ihn. Ihm hätte ein Mord aus niederen Motiven wie Rache oder Eifersucht sicher besser gefallen. Doch man kann sich sein Schicksal nicht aussuchen! Das siehst du ja an mir!«
    »Lass den Kopf nicht hängen. Dein Auftritt im Rat war Klasse! Mit dem Attentat konnte nun wirklich niemand rechnen.«
    Er versuchte seinen Kopf zu bewegen und stöhnte auf. »Kannst du das Bett hochdrehen?«, fragte er und deutete auf die Kurbel in der Nähe seines Kopfes. Ich drehte sie.
    »Ich habe keine Lust mehr auf diesen verdammten Job!«, sagte er nach einer Weile des gegenseitigen Anschweigens.
    »Heißt das, dass du die Klamotten hinschmeißt? Gerade jetzt, wo doch alles ganz gut läuft? Feudel ist endgültig weg vom Fenster, und die Mehrheitsfraktion wird dir künftig aus der Hand fressen. Immerhin hast du dein Leben riskiert, um Schaden von Bierstadt abzuwenden!«
    »Die begreifen doch gar nicht, um was es geht!«, widersprach er. »Auch wenn Feudel kein Intendant wird – guck dir doch mal das Personal an, mit dem ich mich tagtäglich herumplagen muss. Den Leiter der Kunstagentur zum Beispiel. Du weißt, wen ich meine?«
    »Klar. Den Kleinen mit dem roten Haar und dem hübschen Sprachfehler. Was hast du gegen ihn?«
    »Für ihn ist Kunst so was wie eine bunte Mischung aus Pop-Musik, bunten Klecksereien, Knüttelversen und Lehrlingstheater. Bunte, bunte Smarties. Nur dass er das Wort ›Smarties‹ noch nicht mal richtig aussprechen kann. Bei einem Lehrlingstheater des Gewerkschaftsbundes hat er seine künstlerischen Erfahrungen gesammelt.«
    »Ich weiß. Ich habe in meinen journalistischen Anfängerjahren darüber geschrieben. Er spielte den Meister, der die Lehrlinge entgegen den Ausbildungsvorschriften zum Brötchenholen nötigt und schließlich von der geballten Widerstandskraft der arbeitenden Menschen mit Hilfe des Gewerkschaftsjugendsekretärs zur Strecke gebracht wird. Unglaublich aufregender Plot!«
    Höfnagel grinste. »Er hat sogar eine wirkliche Begabung. Er kennt jeden öffentlichen Topf, aus dem ein paar Mark locker zu machen sind.«
    Ich atmete auf. Es ging aufwärts mit ihm, denn er hatte wieder Freude an konstruktiver Mitarbeiterkritik.
    »Ist doch gut, wenn jemand Geldtricks kennt. Diese Fähigkeit hätte Feudel um ein Haar zum General gemacht.«
    »Oder guck dir mal den Bibliotheks-Chef an! Es gab 34 Bewerber für die Stelle, darunter echte Kapazitäten. Doch der Kulturausschuss hat sich für ihn entschieden.«
    »Und? Irgendwas muss er doch auch können? Außer lesen!«
    »Er konnte glaubhaft nachweisen, den stilistischen Unterschied zwischen Karl Marx, Karl May und Karl Konsalik zu kennen.«
    »Wieso? Konsalik heißt doch gar nicht Karl!«
    »Grappa! Jetzt machst du mir auch noch meinen Gag kaputt!«
    Ich prustete los. Höfnagels Gesicht hatte wieder Farbe bekommen. Er lachte mit, verschluckte sich, griff zum Trinkglas und nippte.
    »Soll ich einen Arzt rufen?«, fragte ich besorgt.
    »Um Gottes willen!«, rief er erschreckt. »Die ärgern mich schon genug mit ihren ständigen Anweisungen. Außerdem bekomme ich gleich noch Besuch. Ich habe den Kulturausschussvorsitzenden um einen Besuch gebeten.«
    »Was willst du von Leo Eulenhauer?«
    »Ich teile ihm mit, dass ich meinen Job aufgebe.«
    »Warum?«
    »Ich habe es dir doch gerade erklärt, Grappa! Ich habe keine Lust mehr auf diese Art von Kultur- und Kunstverwaltung.«
    »Meinst du, dass Eulenhauer deinen Rücktritt annimmt?«
    »Da wird ihm wohl nichts anderes übrigbleiben! Er kann sich dann schon mal Gedanken über meinen Nachfolger machen!«
    Er schien wild entschlossen. Schade, dachte ich, so einen Zyniker auf gehobenem Niveau findet man nicht an jeder Straßenecke.
    »Schade. Aber du hast Frau und Kinder. Wovon willst du leben?«
    »Keine Ahnung. Immerhin bin ich Experte für die niederländische Malerei des 17. und
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