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Grappa 03 - Grappa macht Theater

Grappa 03 - Grappa macht Theater

Titel: Grappa 03 - Grappa macht Theater
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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bringt ihn um. Nein, dachte ich, das ist zu einfach. Ich stellte den Zähler in meinem Kopf wieder auf null zurück.
    »Warum sind Sie hier?«, fragte Pistor mit vollem Mund.
    »Ich muss mit Aristide reden! Da gibt es noch einige Unklarheiten über die Entführung.« Ich gab meiner Stimme einen unbefangenen Ton, um die Turbulenzen in meinem Kopf in den Griff zu bekommen.
    »Dann fragen Sie!« Pistors Stimme klang bestimmt. Hatte er etwas von meinen Gedankengängen gemerkt? Mir wurde plötzlich heiß vor Aufregung. Nur keinen Fehler machen, dachte ich.
    »Ich will nur eine Kleinigkeit wissen!«, sagte ich an Aristide gewandt. Er hatte mit dem Essen aufgehört und formte aus dem Inneren eines Brötchens kleine Kugeln, von denen er einige bereits fein säuberlich auf dem Teller angerichtet hatte. Eine klassische Verlegenheitsgeste, dachte ich. Ich hätte auch gern etwas zu spielen gehabt.
    »Ihr Vater hatte einen Umschlag mit Papieren bei sich, die nie wieder aufgetaucht sind. Können Sie sich erinnern, was das für Schriftstücke waren?«
    »Ist das wichtig?«, fuhr Paul Pistor dazwischen. Er schob den Teller mit dem angebissenen Salzkuchen von sich weg.
    »Es ist sehr wichtig!« Ich legte etwas Schärfe in meine Stimme. Pistor war wachsam, und ich musste mich beeilen.
    »Also, wie sahen die Papiere aus?«
    Der Nello-Sohn gab sich Mühe und marterte sein Gehirn. »Ich hab nicht genau hingeguckt«, sagte er dann, »wir hatten damals andere Sorgen!«
    »Lassen Sie den Jungen doch in Ruhe!«, polterte Pistor.
    »Mischen Sie sich nicht ein, Herr Pistor!«, herrschte ich ihn an. »Aristide! Irgendetwas müssen Sie doch gesehen haben, Herrgott noch mal! Waren es voll beschriebene Schreibmaschinenseiten wie bei einem Manuskript zum Beispiel, oder waren es Kopien mit Zahlen drauf … Also, reden Sie schon!«
    »Wie führen Sie sich hier auf, Frau Grappa?«, brüllte Pistor und kam auf mich zu. Die Situation war bedrohlich.
    Anneliese von Prätorius hatte sich in einen Sessel fallen lassen und beobachtete die Szene mit ängstlichen Augen.
    Pistor stand vor mir. Er war nicht größer als ich, aber viel kräftiger. Sein Kugelbauch berührte meinen Arm.
    »Halten Sie gefälligst etwas Abstand! Ich hasse es, wenn mir Leute wie Sie auf die Pelle rücken!« Jetzt brüllte ich.
    Pistor ging einen halben Meter zurück.
    »Auf den Seiten standen Zahlen«, rief Aristide dazwischen, um die Situation zu entspannen, »irgendwelche Auszüge aus Feudels Firma!«
    »Du dämlicher Bengel!« Pistor stürzte auf Aristide zu und schlug ihn ins Gesicht. Er wehrte sich mit der Gabel, die neben dem Brotteller lag, und wollte Pistor in den Bauch stechen. Doch der war zwar dick, aber auch behände. Er drehte dem Jungen den Arm nach hinten und versetzte ihm mit der freien Hand einen Schlag in die Magengrube. Aristide knickte ein, würgte und ließ das soeben genossene Mahl auf den Teppich fallen. Er röchelte gotteserbärmlich.
    »Aufhören!« Eine schrille Stimme ließ die Fensterscheiben der gemütlichen Stube klirren. Anneliese von Prätorius war aufgesprungen. Sie stürzte auf Pistor zu und traktierte ihn mit Fäusten. Tränen liefen über ihr Gesicht.
    Verblüfft ließ er Aristide los, wandte sich ihr zu und wollte sie in den Arm nehmen.
    »Ist ja gut, Liebes! Beruhige dich! Ganz ruhig!«
    Anneliese von Prätorius brach in ein lautes Schluchzen aus und ließ sich zurück in den Sessel führen.
    »Sehen Sie, was Sie angerichtet haben!«, fauchte mich Pistor an.
    »Ich? Halten Sie den Mund! Wer hat denn auf den Jungen eingeprügelt, Sie oder ich?«
    »Ich kann nicht mehr! Hört alle auf, um Gottes willen!«, schluchzte Nellos Ex-Frau. »Ich halte das nicht mehr durch! Ich werde alles sagen!«
    »Anneliese, Liebes! Halt bitte den Mund!«
    Doch Pistors Bitte drang nicht mehr zu ihr durch. Er gab es auf und blieb schwer atmend vor ihr stehen.
    Anneliese von Prätorius schob ihn von sich weg und verließ den Raum. Pistor, Aristide und ich blieben zurück. Niemand von uns sagte ein Wort. Sie hatte die Hauptrolle, und alles lief ab wie eine brillante Inszenierung.
    Wir starrten sie an, als sie wieder im Zimmer stand. Mit der Hand umfasste sie einen Gegenstand, den ich kannte: Es war Nellos ebenholzfarbener Spazierstock mit dem silbernen Entenkopf, der nach seinem Tod verschwunden war.
    Ihr Blick war gebrochen, als sie klar und deutlich sagte: »Mit diesem Stock habe ich Nello erschlagen!«

Die Wahrheit – schmucklos und profan
    Einige Minuten später
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