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Gralszauber

Titel: Gralszauber
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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einen Weg, um ungesehen in die Burg zu kommen.«
»Den kenne ich«, sagte Dulac. »Trotzdem. Ich –«
»Du hast es versprochen!«, schmollte Gwinneth.
Genau genommen hatte er das nicht. Er hatte es nicht
einmal angedeutet.
Aber dann blickte er in ihre wunderschönen schwarzen
Augen und seine Antwort war klar.
    Es war nicht ganz so, wie er gesagt hatte. Der größte Teil
von Camelot lag in völliger Dunkelheit da und auch die
beiden Wachen am Tor hatten sich auf ihre Speere gestützt
und schliefen fest; ein Trick, den jede Torwache schnell
lernte. Hinter den Fenstern im ersten Stockwerk aber
brannte Licht, und als sie auf Zehenspitzen durch das Tor
schlichen, hörten sie Stimmengewirr und Gelächter.
    »Der Thronsaal«, flüsterte Dulac mit einer entsprechenden Geste. »Die Tafel werde ich dir nicht zeigen können,
fürchte ich.«
    »Das macht nichts«, antwortete Gwinneth. Sie blieb stehen und sah sich aus leuchtenden Augen um. »Das ist also
Camelot. Das berühmte Camelot, die Burg des legendären
König Artus!« Sie streckte die Hand aus und strich fast
bewundernd über den rauen Stein des Torgewölbes. »Ich
habe gehört, seine Mauern wären aus reinem Gold.«
    »Die Leute übertreiben«, antwortete Dulac. »Nicht alles,
was man über Camelot und Artus erzählt, ist wahr.« Genau genommen das Allerwenigste, fügte er in Gedanken
hinzu. Aber nur in Gedanken.
    »Aber es ist Camelot«, beharrte Gwinneth. »Solange ich
denken kann, wünsche ich mir schon, Camelot einmal zu
sehen. Und nun bin ich tatsächlich hier.«
    Dulac sah sich mit wachsender Nervosität um. Die Wachen hinter ihnen schnarchten so laut, dass es in der ganzen Burg zu hören sein musste, und er war auch ziemlich
sicher, dass außer Artus und den Rittern der Tafel niemand
mehr wach war. Trotzdem hatte er immer mehr das Gefühl, aus unsichtbaren Augen angestarrt zu werden. Er
bedauerte es längst, Gwinneths Drängen nachgegeben und
sie hierher gebracht zu haben. So gerne er ihr den Gefallen
tat – er hatte das Gefühl, einen schweren Fehler begangen
zu haben. Unheil lag wie etwas Greifbares in der Luft.
»Es ist zu gefährlich, weiterzugehen«, sagte er. »Wenn
    Artus oder einer der Ritter uns entdecken –«
»– behauptest du, ich wäre deine Freundin aus der
Stadt«, fiel ihm Gwinneth ins Wort. Zumindest eine unangenehme Eigenschaft hatte Dulac mittlerweile an ihr ausgemacht: Sie ließ ihren Gesprächspartner selten einen Satz
zu Ende reden. Er seufzte tief.
    »Warum zeigst du mir nicht, wo du arbeitest?«, fragte
Gwinneth.
Dulac nickte zögernd. Es gab an Dagdas Kellergewölben
nichts Interessantes zu sehen, aber dort bestand wenigstens
nicht die Gefahr, dass sie entdeckt wurden. Er machte eine
entsprechende Geste, ging mit schnellen Schritten an
Gwinneth vorbei und wandte sich nach rechts, als er das
Torgewölbe hinter sich hatte. Gwinneth folgte ihm dichtauf.
Mit gesenktem Kopf und auf Zehenspitzen ging er die
Treppe zum Keller hinab. Er rechnete fast damit, dass es
dunkel und still sein würde, aber als er die Tür am Ende
der steilen Treppe aufstieß, war das genaue Gegenteil der
Fall: Er hörte sonderbare Geräusche und aus dem angrenzenden Raum drang flackerndes, rötliches Licht. Er blieb
stehen.
»Was ist?«, fragte Gwinneth hinter ihm.
Dulac deutete ihr hastig mit der linken Hand leise zu
sein.
»Dagda«, flüsterte er. »Er ist noch wach. Verdammt! Ich
hätte geschworen, dass er längst schläft!«
»Der Dagda?« Gwinneth klang nicht beunruhigt, sondern eher begeistert. »Ich kann ihn sehen?«
Wieso sagten sie und Uther eigentlich immer der Dagda?, dachte Dulac. »Lieber nicht«, flüsterte er. »Er ist …
manchmal etwas sonderbar, weißt du? Er ist ein alter
Mann.«
Gwinneth reagierte ziemlich genau so, wie er erwartet
hatte: Sie ignorierte seinen Einwand und schob sich kurzerhand an ihm vorbei. Dulac streckte automatisch die
Hand aus um sie zurückzuhalten, ließ den Arm dann aber
wieder sinken.
»Das ist also der berühmte Kessel des Dagda!« Gwinneth war neben Dagdas überdimensionalem Suppentopf
stehen geblieben und starrte das schäbige Ding aus großen
Augen an. Uther musste ja wahre Schauergeschichten über
Dagdas Kochkünste erzählt haben.
Er nickte nur, bedeutete Gwinneth, nicht so laut zu sein,
und schlich auf Zehenspitzen zum Durchgang zum nächsten Raum. Das flackernde rotgelbe Licht und die Geräusche, die er immer noch nicht deuten konnte, kamen von
dort. Behutsam schob
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