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Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman

Titel: Goya oder der arge Weg der Erkenntnis - Roman
Autoren: Aufbau
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dieser Staatsmänner gingen, und manche erklärten, er sei ein geheimer Anhänger der Französischen Republik. Ganz klug wurde auch Goya nicht aus dem spöttischduldsamen Herrn; soviel war gewiß: der genießerische Zynismus, den er zur Schau trug, war eine Maske.
    Als der Abate gegangen war, sagte Agustín: »Nun wird sich ja Ihr Freund Don Manuel doch wohl herbeilassen müssen, die Regierung zu übernehmen, und dann sitzen Sie noch bequemer im Sattel.« Es hieß nämlich, Don Manuel Godoy, Herzog von Alcudia, der Günstling, sei von Anfang an ein Gegner des Krieges gewesen und habe die offizielle Übernahme der Regierung abgelehnt.
    Goya hatte Don Manuel mehrmals zu dessen höchster Zufriedenheit gemalt und sich vor Agustín gerühmt, er glaube, er gelte was bei dem mächtigsten Manne in Spanien. So hörte er aus dem Hohn Agustíns doppelte Schärfe heraus. Der nämlich beschäftigte sich voll brennenden Interesses mit den öffentlichen Dingen, sprach darüber mit Eifer und Verstand und nahm es dem Freunde bitter übel, daß dieser die Sorge darüber von sich wegschob. Was Agustín jetzt geäußert hatte, kratzte Goya sehr. Es war wirklich sein erster Gedanke gewesen, daß nun bald Friede sein und daß sein Gönner Don Manuel die Regierung übernehmen werde. Aber war es nicht natürlich, daß ihm das Freude machte? Er war nun einmal kein Politiker, die politischen Dinge waren ihm zu verworren. Krieg oder Friede, das ging den König an, seine Räte und seine Granden. Seine, Franciscos, Sache war es nicht, er war Maler.
    Er antwortete nicht. Er trat vor das Bild, vor das Porträt der Doña Lucía. »Kein Wort hast du gesagt über das Bild«, beklagte er sich. »Sie wissen ja von allein, wie es darum steht«, antwortete Agustín und trat, auch er, vor das Bild. »Es fehlt nichts, und es fehlt alles«, erklärte er mürrisch und autoritativ. »Einen angenehmeren Gesellschafter für dunkle Stunden hätte ich mir nicht aussuchen können«, höhnte Goya. Und da Agustín vor dem Bilde stehenblieb, es betrachtend, fuhr er fort: »Aber da ist sie, deine Lucía, sehen kann man sie, oder nicht?« Und bedenkend, wie er den andern kränken konnte, fuhr er hämisch fort: »Schau sie dir nuran. Was anderes kannst du ja doch nicht mit ihr anfangen, du Pla-to-ni-ker.« Er sprach das Wort mit Mühe, die Silben zerteilend. Agustín preßte die Lippen zusammen. Er selber redete niemals von seiner Liebe zu Doña Lucía, doch Goya verhöhnte ihn damit, sooft er schlechter Laune war. »Ich weiß, daß ich nicht anziehend bin«, antwortete er, und seine Stimme klang noch scholleriger als sonst. »Aber auch wenn ich Sie wäre, mit Ihrer Begabung und mit Ihren Titeln, würde ich keinen Versuch machen, die Frau unseres Freundes Don Miguel Bermúdez zu verführen.«
    »Edle Lebensregeln«, höhnte
    Don Francisco. »Stolze Sätze.
    Von den Füßen bis zum langen
    Kopf ein Tugendbold. Nur schade,
    Daß sie niemals deine Tugend
    Auf die Probe stellt, die ange-
    Schmachtete Geliebte.« Keine
    Antwort gab Esteve. Düster
    Strich er sich das Kinn, beschaute
    Schweigend die gemalte Liebste.
    Goya aber zürnte: »Keinem,
    Auch dem Besten nicht, kann Farbe,
    Tönung, Rhythmus kommen in der
    Sauern Luft, die von dir ausgeht.«
    Und er nahm sich Hut und Mantel,
    Zornig, und verließ die Werkstatt.
4
    Wenn er, wie an diesem Tage, nichts Besonderes vorhatte, liebte er’s, den Abend mit seiner Familie zu verbringen; er hatte seine Frau gern und ergötzte sich an seinen Kindern. Aber er fürchtete, in seiner heutigen Stimmung werde ihmdas harmlose Geschwätz des Familientisches schwer erträglich sein. Er zog es vor, zu seiner Freundin Pepa Tudó zu gehen.
    Pepa war angenehm überrascht. Sie war niemals schlampig angezogen wie so viele andere Madrileninnen; auch heute trug sie einen hübschen, blauen Schlafrock, aus dem ihre weiße Haut strahlend herauskam. Zurückgelehnt auf dem Sofa saß sie, träg, üppig, mit dem Fächer spielend, und führte mit ihm ein langsames Gespräch.
    Ihre Dueña kam, Conchita, und fragte, was Don Francisco zum Abendessen wünsche. Die dürre Conchita hatte Pepa seit ihrer Geburt betreut und durch alle Wechselfälle ihres jungen und bewegten Lebens bei ihr ausgehalten. Sie berieten über die Zusammenstellung des Essens; dann entfernte sich die Alte, um einzuholen, was nötig war, vor allem den etwas vulgären Manzanilla, den Francisco bevorzugte.
    Er blieb schweigsam, auch als Conchita gegangen war. Es war sehr warm in Pepas
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