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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht
Autoren: C.E. Lawrence
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und kratzte sich am Kopf. Er erinnerte Lee an einen Darsteller aus einer Filmkomödie der Vierziger.
    »Weiß nicht … in den Adirondacks, glaube ich.«
    »Und haben Sie da etwas gekauft?«
    »Hm, meine Frau hat Geschirrtücher gekauft.«
    »Brauchte sie die?«
    Butts runzelte die Stirn. »Wenn Sie mich so fragen, nein. Sie hat Dutzende. Kauft sie immer, wenn wir irgendwo hinfahren.«
    »Und warum kauft man etwas, was man gar nicht braucht?«
    Butts schnaubte verächtlich. »Glauben Sie mir, Doc, ich habe schon vor langer Zeit gelernt, dass man bei Frauen gewisse Fragen besser für sich behält, verstehen Sie?«
    »Aber auf diese Frage gibt es eine einfache Antwort.«
    Butts bohrte seine Schuhspitze in die Erde und wühlte sie auf.
    »Was weiß ich. Sie meint, die Handtücher erinnern sie an unsere Reise.«
    »Genau. Deshalb nehmen Sexualverbrecher oft etwas von ihren Opfern mit – zur Erinnerung. Das ist wie eine Jagdtrophäe. Eigentlich haben diese Gegenstände keinen praktischen Wert, außer dass sie den Täter an das Verbrechen erinnern. Durch diese Souvenirs erleben sie das Ganze noch einmal.«
    Butts biss sich einen eingerissenen Fingernagel ab und spuckte ihn aus. »Das ist schon ziemlich krank, Mann. Ich habe sonst mit ganz normalen Morden zu tun. Drogenmilieu, gewalttätige Ehemänner, eskalierende Familienstreitigkeiten – das Übliche eben. Diese Geschichte hier ist irgendwie ein ganz anderes Kaliber.«
    »In der Tat.«
    Butts sah Lee misstrauisch an. »Können Sie eigentlich noch ruhig schlafen, wenn Sie sich ständig mit so was beschäftigen müssen?«
    »Manchmal nicht. Aber dass solche Täter frei herumlaufen, hält mich erst recht wach.«
    »Nicht übel nehmen, Doc, aber Sie sind eigentlich nicht der Typ für … Ich meine, wie sind Sie denn zu so einem Job gekommen?«
    »Die Gründe sind ziemlich persönlich.«
    »Schon okay«, erwiderte der Detective und machte ein mitfühlendes Gesicht. »Kein Problem – versteh ich. Wollte nicht aufdringlich sein.«
    Lee wendete den Blick ab – er war sich nicht sicher, ob er immer rational reagierte. Seit der Sache mit dem Nervenzusammenbruch hatte er sich noch nicht ganz wieder unter Kontrolle.
    Die beiden Männer standen nebeneinander, schauten hinüber nach Manhattan und beobachteten, wie der graue Rauch aus der aufgerissenen Erde aufstieg.
    Butts verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Gut, dann fahr ich jetzt. Wir, ähm, sprechen uns später. Ich rufe Sie an, wenn wir den Freund gefunden haben.«
    »Gut, bis dann.«
    Lee sah dem Detective hinterher, während der mit wehendem Trenchcoat hinter den Leuten von der Spurensicherung herwalzte. Er schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. In der Ferne hörte er Dudelsäcke spielen, die traurige, klagende Melodie wurde über den East River zu ihm herübergetragen. Sie passte zu seiner Melancholie. Wenn er gestresst war oder Kummer hatte, glaubte er oft Dudelsäcke zu hören, und inzwischen begrüßte er diese Halluzination, statt sie für das Zeichen einer sich verschlimmernden Geisteskrankheit zu halten. Sie tröstete ihn, versetzte ihn in Gedanken auf die grünen Hügel der Heimat seiner keltischen Vorfahren, wo neben reißenden Flüssen die Berge hoch und steil aufragten, eine mystische und kahle Landschaft.
    Er starrte hinauf in den Himmel, wo eine einzelne Krähe Richtung Norden flog, schwarz und einsam im fahlen Licht des Morgengrauens.

KAPITEL 2

    Wie sich herausstellte, war der Freund der Toten nicht schwer zu finden. Binnen einer Stunde stand Lee vor einem schmierigen Vernehmungszimmer in der Revierwache der Bronx und wartete hinter dem Einwegspiegel darauf, dass Butts mit dem Verhör des jungen Mannes begann. Das Vernehmungszimmer war klein und stickig, die grünen Wände übersät mit Flecken und abgeschabten Stellen. Lee stellte sich die Szenen vor, die sich in diesem Raum abgespielt haben mochten – die Wutausbrüche, die Fäuste oder Stiefel, die auf die Wände einhämmerten. Einige der verwischten schwarzen Flecken stammten vermutlich von Tritten – die Höhe und Größe sprachen dafür –, während andere rätselhafter waren. Kaffeespritzer, vereinzelte Striche in blauer Tinte, selbst ein paar ominöse rote Flecken, die zur Farbe von dunklem Rost getrocknet waren.
    Der junge Mann saß still da, die Hände im Schoß gefaltet. Er war schmächtig, mit schmalen, knochigen Schultern, ein Junge, der nirgendwo auffallen würde. Lee machte eine Bestandsaufnahme seiner
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