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Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Titel: Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
Autoren: Alfred Bekker
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Wesen, die im Laufe der letzten anderthalb Jahrhunderte ihre Länder verlassen hatten, nachdem deren nördliche Provinzen Morygors Frostreich anheimgefallen waren und sich die Lebensbedingungen in den noch immer unabhängigen Gebieten erheblich verschlechtert hatten.
    »Jetzt beginnt es also auch hier«, knurrte einer der Orxanier, dessen Name Gaerth lautete und dessen Stimme wie das Grollen fernen Donners klang. Er überragte jeden heiligreichischen Mann mindestens um die Hälfte, seine Arme waren dicker als selbst deren Oberschenkel, seine Hände erinnerten an die Pranken eines Langzahnlöwen, wie sie die Wälder von Estrigge und Süd-Thisilien durchstreiften. Und die Hauer, die aus einem tierhaften Maul ragten, waren länger als der Dolch an Gorians Gürtel. »Als mein Vater jung war, gab es in Orxanien noch drei Monate richtigen Sommer. Es wuchsen Getreide und genügend Gras, um Rinder und Schafe zu halten. Heute ist das nur noch an der Küste möglich, und auch das mehr schlecht als recht.«
    »Wenn du heute sagst, meinst du wohl vor drei Jahren«, mischte sich der Adh ein. Er hieß Beliak und war nicht größer als Gorian mit seinen zehn Jahren, aber seine Breite entsprach beinahe seiner Länge. Obwohl er viel kleiner war als der Orxanier, stand er ihm an Kraft kaum nach, was durch eine wilde Rauferei unter Beweis gestellt worden war, die der Herr des Hofes nur durch Anwendung der Magie der Alten Kraft hatte beenden können. Aber seit die Kräfteverhältnisse zwischen den beiden geklärt waren, verstanden sie sich gut, was eher ungewöhnlich war, denn Adhe und Orxanier waren traditionell verfeindet. Beliak konnte es sich sogar erlauben, den Orxanier mit der Faust freundschaftlich in die Seite zu knuffen, ohne dass darauf sofort eine Antwort in Form eines Faustschlags mit der orxanischen Pranke erfolgte. »Drei Jahre – so lange bist du doch schon hier, und ich wüsste nicht, dass du zwischenzeitlich zurück in deine trostlose Heimat gereist wärst.«
    Das schon aufgrund seiner Physiognomie nicht gerade fröhlich wirkende Gesicht des Orxaniers wurde sehr finster. »Trostlos – das ist in der Tat das richtige Wort. Und ich wage gar nicht daran zu denken, wie sich das Land meiner Vorfahren inzwischen verändert haben mag. Es ist mir nicht einmal ein Trost, dass es in manchen Gegenden des Adhe-Landes wohl nicht anders aussieht.«
    »Es ist noch viel schlimmer«, murmelte Beliak. »Und vielleicht wird es dich freuen, dass es meinesgleichen in nicht allzu ferner Zukunft nicht mehr geben wird.«
    »Wieso sollte es bald keine Adhe mehr geben?«, mischte sich Gorian ein, der sich mit beiden gut verstand.
    Beliak wandte den breiten Kopf mit der dicken Knollennase. Der Bart war gestutzt, aber sehr dicht, und er wucherte ihm fast bis unter die von dicken Wülsten beschatteten Augen. »Weil wir Adhe uns auf andere Weise vermehren als die meisten anderen Wesen«, antwortete er.
    »Es heißt, ihr wachst aus der Erde«, sagte Gorian.
    »Aber nur in den frostfreien Monaten im Sommer. Und die waren seit Adhe-Gedenken schon rar in meiner Heimat. Inzwischen jedoch dürfte es zumindest nördlich von Adhbergen keinen einzigen frostfreien Tag im Jahr geben. Zumindest taut der Boden nicht mehr ausreichend auf, um meinesgleichen daraus hervorwachsen zu lassen.«
    Draußen donnerte es, und erneut setzte Hagelschlag ein. Ein stürmischer Wind pfiff um die Gebäude des Hofes und ließ die Läden klappern. Ein Wind, der so eisig war, dass man es selbst im Hausinneren an den Füßen spüren konnte.
    Ein Ruck ging durch Gorian.
    Etwas kommt!
    Es war ein Gedanke, der sich nicht begründen ließ. Ein Gefühl, eine unbestimmte Ahnung, die Gorian für einen Moment wie völlige Gewissheit erschien.
    Es dauerte kaum länger als zwei Herzschläge, dann war diese Empfindung vorbei, und Gorian fragte sich, ob das, was gerade noch so vollkommen seine Aufmerksamkeit erregte, überhaupt existiert hatte.
     
    In dieser Nacht erwachte Gorian aus einem unruhigen Schlaf. Es war unbeschreiblich kalt geworden. Im Winter fegten zwar immer häufiger heftige Eisstürme auch über Thisilien hinweg, von denen die Alten sagten, dass es so etwas früher nicht gegeben hätte, aber die Sommersonnenwende war gerade erst ein paar Wochen vorbei.
    Gorian erhob sich aus seinem Bett, er fühlte etwas Ähnliches wie in jenem ersten Moment damals, kurz vor dem Auftauchen der geflügelten Fische. Eine diffuse Empfindung der Bedrohung und der Gefahr.
    Etwas würde geschehen,
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